Diskussion über "Digitale Schule - Bildung per Doppelklick"...

Wie digital sind die Schulen? Foto: dpa

Fünf Milliarden Euro plant der Bund, in die Digitalisierung von Schulen zu investieren. Doch wo und wie genau sollen diese Gelder eingesetzt werden? Darüber diskutierten...

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GIESSEN. Fünf Milliarden Euro plant der Bund, im Rahmen des sogenannten Digitalpaktes in die Digitalisierung von Schulen zu investieren. Doch wo und wie genau sollen diese Gelder eingesetzt werden? Und wie sieht es momentan aus mit dem Einsatz von technischen Geräten im Unterricht? "Das Thema Bildung ist von großer öffentlicher Relevanz", erklärte Dr. Leo Will im Margarete-Bieber-Saal der Justus-Liebig-Universität (JLU). Daher hatte der gemeinnützige Verein "mitmission" (ausgesprochen: mitmischen) als erste Veranstaltung der Reihe "Parole Bildung" zur Podiumsdiskussion "Digitale Schule - Bildung per Doppelklick" eingeladen, in der man genau diese Themen diskutieren wollte.

Dabei geht es der Digitalisierung in Schulen um viel mehr, als nur darum, jeden Schüler mit einem Tablet auszustatten. Kai-Oliver Graf, Gymnasiallehrer für Chemie und Biologie, sprach sich ohnehin klar dafür aus, Smartphones in Schulen zu erlauben, diese aber gezielt einzusetzen - beispielsweise mit Apps, die beim naturwissenschaftlichen Unterricht unterstützen oder den Lernprozess transparent machen. Ihm pflichtete Roland Mevißen bei, der Arbeitslehre und Chemie an Gesamtschulen unterrichtet. Seine Schüler sollen Smartphones und Internet nicht nur nutzen, um damit Informationen nachzuschlagen; anhand von Quellenvergleichen lernen sie auch "nicht alles, was irgendwo steht, zu glauben". Dass Unterricht durch den Einsatz digitaler Medien automatisch besser wird, sieht Mevißen hingegen nicht. Aufgabenstellungen könnten sowohl analog als auch digital bearbeitet werden.

"Dilemma"

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Dr. Nicole Graulich, die an der JLU im Bereich Chemiedidaktik arbeitet, sieht für ihr Fach hingegen Möglichkeiten zur Visualisierung - etwa von Reaktionsmechanismen. Dass der digitale Wandel durchaus kontrovers diskutiert werde, merkte Prof. Jürgen Kurtz (Englischdidaktik) an - man müsse beispielsweise bedenken, dass die zunehmende Verbesserung von Sprachverarbeitungs- und Übersetzungsprogrammen ein "Dilemma" für den Sprachunterricht kreiere, da die Motivation dafür wegfalle.

"Der Prozess wird verschlafen", mahnte Ina Daßbach vom JLU-Zentrum für Medien und Interaktivität, dass man sich Gedanken machen müsse, wie mündige Bürger mit digitalen Medien herangezogen würden. Medienbildung müsse einen viel höheren Stellenwert in der Lehrerausbildung an Hochschulen haben. Und auch "fertige" Lehrer werden viel zu oft mit dem Thema Medien alleingelassen, nicht nur fachlich, sondern auch personell - einzelne arbeiten teils in ihrer Freizeit, da sie die Schulmedien in einem Umfang betreuen müssen, für den "Unternehmen eine ganze Abteilung haben". Dabei sehen die Diskutanten auch die Politik in der Pflicht - um überhaupt an finanzielle Förderung im Rahmen des Digitalpaktes zu kommen, müssten die Schulen immerhin komplett eigenständig Konzepte ausarbeiten. "Wenn digitale Kompetenz im Kerncurriculum steht, soll der Staat sie auch bezahlen", forderte Kai-Oliver Graf.

Eine weitere Baustelle bei der Digitalisierung seien die Lehrmittel. Jürgen Kurtz berichtete, dass neue Lehrwerke entwickelt werden, die "hybrid" sind, also nicht komplett digital - im Zuge von "augmented reality" könne man so eine App mit den Schulbüchern verknüpfen. Abo-Konzepte wären ferner eine Möglichkeit, schnell veralteten Lehrwerken entgegenzusteuern. Schulen sollten sich außerdem weniger als Konkurrenten betrachten, sondern viel mehr gemeinsam arbeiten, etwa um schulübergreifend Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, so eine Idee von Roland Mevißen.

"Nicht abwälzen"

Zwar bietet die Digitalisierung vermehrt Möglichkeiten zu Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe, dennoch warnte Ina Daßbach vor einer "digitalen Spaltung", die auch eine Lehrerin aus dem Publikum aus ihren Erfahrungen bestätigen konnte - monatliche Gebühren, um bestimmte Geräte für den Unterricht zu mieten, könnten immerhin nicht alle Familien stemmen. Darüber hinaus brächten die Schüler ganz unterschiedliche Kenntnisse über Medien und den Umgang mit ihnen von zu Hause mit. Auch darin liege eine Problematik, die nicht hundertprozentig auf die Schulen abgewälzt werden dürfe - Bund und Länder müssen beim Thema Digitalisierung also auf allen möglichen Ebenen mehr Unterstützung und bessere Rahmenbedingungen schaffen.