Flüchtlingskrise war nie weg

War es vor zwei Jahren Deutschland, an dessen Grenzen Asylsuchende tagtäglich in großer Zahl eintrafen, so ist es in diesem Sommer der italienische Staat, der mit einem...

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. War es vor zwei Jahren Deutschland, an dessen Grenzen Asylsuchende tagtäglich in groß;er Zahl eintrafen, so ist es in diesem Sommer der italienische Staat, der mit einem groß;en Flüchtlingsansturm zurechtkommen muss. Die Flüchtlingskrise ist zurück – so heiß;t es jetzt oft angesichts der wachsenden Zahl von Menschen, die auf dem Mittelmeer aus ihren klapprigen Booten gerettet werden. Dabei war die Krise nie weg. Es ist eben nur einfacher und durchaus menschlich, etwas auszublenden, was nicht vor der eigenen Haustür passiert.

Unbestritten hat die westliche Welt es mit einem Problem von gewaltigen Ausmaß;en und komplizierten Zusammenhängen zu tun. Der Versuch Italiens, mit einem Marineeinsatz vor der libyschen Küste Menschenschmuggel zu bekämpfen und die Migration über das Mittelmeer einzudämmen, ist darum nicht mehr als ein Tropfen auf dem heiß;en Stein. Sicherlich können Grenzkontrollen und Marineeinsätze gegen Schlepper einen Beitrag dazu leisten, dass für einen Moment weniger Flüchtlinge kommen. Doch gleichzeitig werden sich die Bewegungen der Migranten verlagern.

Gesetzt den Fall, es würde tatsächlich gelingen, Libyen in ein System von Grenzkontrollen der EU einzubinden: Experten sagen schon jetzt voraus, dass dann deutlich stärker als bislang Ägypten beziehungsweise Tunesien als Transitorte in Richtung Europa genutzt würden. Es wäre deshalb Augenwischerei zu behaupten, dass sich Fluchtbewegungen vollkommen aufhalten lassen. Vielmehr wird es immer neue Ziele und neue Transitrouten geben – was man auch daran sieht, dass derzeit auf der zentralen Mittelmeer-Route sehr viele Menschen aus Bangladesch unterwegs sind.

Die Politiker jedenfalls können nicht viel ausrichten, so lange sich Dinge nicht grundsätzlich ändern. Schlichte Lösungen, wie manche glauben machen, gibt es einfach nicht. Europa muss die Flüchtlingskrise vor allem endlich als gemeinsames Problem begreifen. Die Nachricht vom Dienstag, dass die Slowakei "freiwillig" 60 weitere Flüchtlinge aufnimmt, ist in diesem Zusammenhang geradezu lächerlich. Gerade die Osteuropäer müssen lernen, dass Europa aus einem Geben und Nehmen besteht. Es führt kein Weg an einer europäischen Lastenverteilung vorbei.

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Doch so weit die Theorie: In der Praxis muss man leider vielmehr sagen, dass es wohl kaum gelingen wird, alle europäischen Staaten ins Boot zu holen. Die groß;e gemeinsame Linie in der Flüchtlingskrise, mit der die Staaten der EU eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit angehen müssten, die ist längst nicht in Sicht.