Freude über Frischgezapftes bei den Gästen, Verärgerung über Reglementierung bei manchen Wirten: Nicht alle Gastronomen in den Stadtteilen öffnen wieder ihre Lokale.
. Giessen-Allendorf. "Prost, auf einen schönen Abend", hieß es im Restaurant "El Greco" im Stadtteil Allendorf nach der Zwangspause wieder. Wirtin Tanja Meier gehörte zu den Gastronomen in der Stadt, die von der Möglichkeit Gebrauch machten, ihr Lokal unter den zu beachtenden Regeln und Beschränkungen zu öffnen.
"Ab sofort geöffnet", heißt es vor dem Eingang an der Glasscheibe und wirkt wie eine Erleichterung nach sieben Wochen Abstinenz. Und es ist der erfreulichste aller Hinweise, die dem Gast begegnen: Desinfektionsmittel auf dem Tisch beim Eingang, Hinweise zum Sicherheitsabstand, Karteikarten, auf denen Name, Adresse und Telefonnummer einzutragen sind und das Aufsetzen von Mund-Nase-Schutz beim Hineingehen, dem Verlassen und dem Gang zur Toilette. Eine schon ungewöhnliche Atmosphäre für den Besuch des Stammlokals. Doch die Gäste nehmen alles gelassen hin.
Die Wirtin und ihr Team mit Masken vor dem Gesicht - so hat man sie noch nie gesehen. Bei Tanja Meier ist deshalb auf Anhieb ihre gute Laune an diesem Abend nicht zu erkennen. Denn sie freut sich und ist dankbar, weil jetzt ihre Stammgäste kommen. Aber auch für die Unterstützung der Allendorfer, die sie vom ersten Tag der Corona-Krise trostvoll begleiteten. Mit Worten, Anrufen, Mails und dem regelmäßigen Bestellen von Essen zum Abholen.
Sandra Neeb ist froh, wieder für die Gäste da zu sein. Koch Nico hat das Kochen in den sieben Wochen nicht verlernt, war an den Wochenenden gefordert, wenn er Pitta Gyros, die El Greco -Platte oder den Vorspeisenteller zubereitete. Tanjas Tochter Nicole steht am Zapfhahn, ist glücklich, wieder Leben im Restaurant vorzufinden und die treuen Gäste am ersten Abend nach der langen Durststrecke willkommen zu heißen. Peter Zeizinger genießt das frisch gezapfte Bier, am 17. März rann der letzte Hopfensaft dieser Art durch seine Kehle. Von den vielen Meldungen, Bestimmungen und Diskussionen zur Corona-Pandemie zeigt er sich "etwas verwirrt".
Keine Stammtische
Tanja Meier beobachtet jetzt, wie es weiter geht und entscheidet dann, ob sie weiter öffnet oder zum Abholen der Speisen zurückkehrt.
Zu den Gaststätten, bei denen die Türen zunächst geschlossen bleiben, gehört das Lokal "Zur Lichtenau" in Wieseck. "Wir haben uns überlegt, ob und wie wir unter den momentanen Vorgaben öffnen können", schreibt Geschäftsführer Andreas Bellof und ist sich mit Inhaber Joachim Bellof einig: "Zunächst bleibt das Lokal geschlossen".
Nach den Auflagen könnten in dem Bierlokal acht Gäste bewirtet werden. "Wir müssten reglementieren, wer wie zu sitzen hat" - doch das wollen die Betreiber nicht. "Schleierhaft" sei ihnen, wie sie den Zutritt und die Dauer eines Aufenthaltes regeln sollten. Unter den auferlegten Bedingungen kann es keine Vereinssitzungen und Stammtische in der "Lichtenau" geben. "In unseren Augen ist es nicht möglich, die Vorgaben sozial vernünftig umzusetzen. Vom ökonomischen Gesichtspunkt der beschränkten Öffnung ganz zu schweigen", heißt es von "Bellof's Fried", auch im Gespräch mit dem Anzeiger.
Mit Handzetteln informiert in Kleinlinden Bürgerhaus-Wirtin die "lieben Linneser Leut" über ihren Startversuch. Sie möchte den Bewohnern gerne eine Gaststätte im Ort anbieten (mit "Mutter Schmidt" hat das letzte Lokal geschlossen) und öffnet ab kommenden Freitag jeweils von freitags bis sonntags ab 17 Uhr und mit Voranmeldung zur Probe. Für die Gäste im Restaurant stehen mit Abstandsregelung 18 Plätze und oben auf der Terrasse vier bis fünf Tische zur Verfügung. Für kleinere Feiern in der erlaubten Weise gibt es separate Räume. An den drei Öffnungstagen bietet das Bürgerhaus Essen außer Haus an. Die langjährige Wirtin macht deutlich: "Für mich sind die Vorgaben richtig und wichtig!" Allerdings sei das "Beamtendeutsch" etwas schwer verständlich und schlecht kommuniziert. Daniel hat auch schon selbst zum Hörer gegriffen und im Ministerium in Wiesbaden angerufen. Verständnis hat sie für Gastronomen, die nicht öffnen, macht aber deutlich: "Ich jedoch kann die Füße nicht mehr still halten".
"Unsäglicher Zustand"
Der Rödgener Gastwirt Oliver Becker hält seine Gaststätte "Zum kühlen Grund" weiterhin geschlossen. Auf seiner Facebook-Seite informiert er: "Wir dürften nur zehn Gäste rein lassen, es soll vorher reserviert werden." Das Bevormunden der Gäste, mit wem Sie zusammen sitzen dürfen, sowie das Notieren ihrer Adressdaten und weitere Auflagen, will Becker ihnen nicht zumuten. "Aufgrund der Restriktionen können wir unsere Gäste nicht würdevoll bedienen", hat er klar entschieden: "Bis sich dieser unsägliche Zustand nicht ändert, werden wir unser Lokal weiter geschlossen halten"!