Kein "Fruchtalarm" auf Station Peiper in Gießen

"Fruchtie" Rebecca Schömann mixt an der mobilen "Fruchtalarm"-Bar Saftcocktails ganz nach Wunsch.  Foto: Moor

Die Mobile Saftbar fehlt Corona-bedingt als willkommende Abwechslung auf der Kinderkrebsstation des UKGM. Die Initiatoren wollen als Alternative Cocktailkoffer ausgeben - und...

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. GiessenDie Corona-Pandemie hat unterschiedlichste Auswirkungen - auf der "Station Peiper" des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) sind nicht nur die Besuchsmöglichkeiten stark eingeschränkt, Freizeitangebote auf der Kinderkrebsstation sind ebenso davon betroffen. So pausiert momentan auch das Projekt "Fruchtalarm", das noch bis Mitte März regelmäßig die Patienten mit Fruchtsaftcocktails versorgt hat.

Die Augen der kleinen Anna (Namen geändert) weiten sich, als sie den bunt bedruckten Wagen auf dem Flur entdeckt. "Ich möchte einen blauen Saft!", wünscht sie sich von Rebecca Schömann. Diese mischt dementsprechend Saft und Sirup zusammen und überreicht das Getränk dem Mädchen, das auch noch eine Karte haben möchte. Anna kennt sich schon aus - kommt besagter Wagen doch einmal wöchentlich zu Besuch. Er ist Teil des deutschlandweiten Projektes "Fruchtalarm", welches mit einer mobilen Cocktailbar für Spaß und Abwechslung auf Kinderkrebsstationen sorgt. Seit etwa einem Jahr ist ein "Fruchtie-Team" auch auf der "Station Peiper" des Universitätsklinikums Gießen-Marburg (UKGM) unterwegs.

"Fruchtalarm" gibt es nun schon ein Jahrzehnt, erklärt Projektkoordinator Patrick Götting, der aus Bielefeld angereist ist. Dort ist der "Fruchtalarm" entstanden - aus der eigenen Betroffenheit eines Elternpaares heraus, das sein an Krebs erkranktes Kind verloren hatte. Eine einfach durchführbare Aktion wollten sie initiieren, die trotzdem für Vielfalt im oft drögen Alltag auf Kinderkrebsstationen sorgen sollte. Schnell kam man darauf, mit einer mobilen Bar die Krankenhäuser zu besuchen, in denen sich die kleinen Patienten aus verschiedenen Säften und Sirups Cocktails ganz nach ihrem eigenen Geschmack zusammenstellen können.

31 Standorte

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Und das Projekt fand schnell Anklang - anfangs rein ehrenamtlich organisiert, wuchs es schnell heran und wurde an die "von-Laer-Stiftung" übergeben, ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Inzwischen ist "Fruchtalarm" an 31 Standorten in Deutschland vertreten, oft kommt die Zusammenarbeit mit den kinderonkologischen Stationen über Kontakte zustande. So auch in Gießen: das initiierende Elternpaar gehört zum Service-Club Round Table (RT), und auch in Mittelhessen wird das Projekt vom RT 86 Wetzlar und dem RT 94 Gießen unterstützt. Die Round Tables suchen jedes Jahr ein besonders unterstützenswertes Projekt heraus, im letzten Jahr wurden Flohmärkte und der Weihnachtsbaumverkauf dazu genutzt, den Gießener "Fruchtalarm" für ein weiteres Jahr zu sichern.

Auch in Gießen freuen sich die Kinder jeden Donnerstag, wenn "Fruchtalarm" am Nachmittag die "Station Peiper" besucht - wer kann, kommt direkt aus dem Zimmer angelaufen, sobald der Wagen zu hören ist, berichtet Dr. Katrin Maria Baier. Sie ist ehrenamtliche Mitarbeiterin der ersten Stunde. Von den vielen Kindern, die sie im Zuge des Projekts kennengelernt hat, ist ihr ganz besonders ein Junge mit Trisomie 21 im Gedächtnis geblieben, der immer laut gejubelt habe, sobald die "Fruchtie-Teams" ins Zimmer gekommen seien. Doch sei der persönliche Cocktail für alle Kinder ein wöchentliches Highlight. Manche probieren gerne etwas Neues aus - ein Mädchen hingegen hat sich ihre Lieblingskombination aus Bananen- und Rhabarbersaft sowie Curacao-Sirup extra mit dem Handy abfotografiert, damit diese genau so wieder angemischt wird.

Wer will, darf auch beim Schütteln mit dem Cocktailmixer helfen. Dann werden die Saftmischungen in Becher abgefüllt, eine bunte Postkarte gibt es noch dazu, und zu besonderen Gelegenheiten wie Geburtstagen oder Entlassungen bekommen die Patienten auch schon einmal einen "Fruchtalarm"-Rucksack geschenkt.

Der kleine Max wünscht sich einen Maracuja-Saft und schmeißt seinen Schnuller mit Schwung hinter sich aufs Bett, als er sein Getränk in die Hand bekommt. "Er freut sich jedes Mal, wenn der "Fruchtalarm" kommt", erklärt seine Mutter. Doch nicht nur für die Patienten ist das Projekt ein Highlight, auch die Eltern freuen sich über die externen Besucher. Nicht nur geben diese Gelegenheiten für einen kleinen Schwatz zwischendurch, das "Fruchtalarm"-Team versorgt auf Wunsch auch Eltern und Geschwister mit Cocktails. Dabei ist große Sensibilität im Umgang mit den Patienten sowie den Familien gefragt, sowie enge Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegekräften. Die Teams, die in der Regel aus acht Ehrenamtlern bestehen, durchlaufen vor ihrem ersten Einsatz eine mehrstündige Schulung. Bei den "Fruchties" wird nicht nur auf physische und seelische Gesundheit Wert gelegt, Verbindlichkeit sei auch sehr wichtig, da man nur mit konstanten Teams Vertrauen zu dem Stationspersonal sowie den Patienten und Angehörigen aufbauen könne. Man habe jedoch kein Problem damit, engagierte Mitarbeiter zu finden, vor allem nicht in Studentenstädten, sieht Patrick Götting das Projekt in einer sehr glücklichen Lage.

Zusätzliche Vitamine

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Zwar sei die Verweildauer der Kinder auf der "Station Peiper" meistens nicht allzu lang, dennoch sorge eine "gute Mundpropaganda" dafür, dass auch neue Patienten schnell vom "Fruchtalarm" erführen. Etwa zehn bis 15 Kinder bekommen pro Besuch ihren Wunschcocktail gemischt, pro Saftsorte werden jede Woche zwei Flaschen leer - am beliebtesten sei Banane. Für viele Kinder bringt der "Fruchtalarm" aber nicht nur Abwechslung in den Alltag und schmeckt gut - manchmal sei es während der Chemotherapie schwierig, die Patienten zum Trinken zu bewegen, da sei der Cocktail dann eine gute Gelegenheit zur Flüssigkeitsaufnahme. Die Säfte sorgten zudem für Vitamin- und Kalorienzufuhr. Darüber hinaus, ergänzt Schwester Marlene Müller, würden die Säfte angenehm kühlen und appetitanregend wirken, bei angegriffener Mundschleimhaut müsse man lediglich darauf achten, Säfte mit wenig Säure zu nutzen. Optisch und haptisch ansprechend seien die Cocktails außerdem, könne das Team auch alle Farben anmischen, bemerkt Patrick Götting.

Gerade in den Kliniken wo "Fruchtalarm" das einzige Angebot für die kleinen Patienten sei, komme das Projekt besonders gut an. In Gießen sei das zwar nicht der Fall, er sei aber immer gerne im UKGM, erklärt der Projektkoordinator. Die Stimmung auf der "Station Peiper" sei sehr gut, er lobt außerdem ausdrücklich das besonders freundliche Personal, das sei leider nicht an allen Standorten der Fall. Zudem leisteten Ärzte und Pflegekräfte die Kommunikationsarbeit mit externen Projekten noch zusätzlich zur regulären Arbeit. Auch die Schwestern werden freilich zum Schluss jedes Besuches mit "Fruchtalarm"-Cocktails versorgt.

Seit Mitte März ist der "Fruchtalarm" allerdings in "Corona-Pause", da die Ehrenamtler nicht mehr auf Station dürfen. Als Alternative wird, bis das Projekt wieder anlaufen kann, ein "Cocktailkoffer" angeboten, den alle Patientinnen und Patienten bekommen sollen, damit sie sich ihre liebsten Saftmischungen selber mixen können. Pro Koffer benötigt das spendenbasierte Projekt 20 Euro und freut sich über Zuwendungen - beispielsweise unter https://www.betterplace.org/de/projects/79400-fruchtalarm-cocktailkoffer oder auf das "Fruchtalarm"-Spendenkonto. IBAN: DE84 4786 0125 1434 4744 04, BIC: GENODEM1GTL (Volksbank Bielefeld-Gütersloh eG).