Virtuelle Ausstellung: Pflanzen sind die beste Klimaanlage
Das Architekturmuseum in Frankfurt plädiert für begrünte Bauten und Städte.
Von Christian Huther
Dass der Trend zwar gerade hochaktuell wird, aber nicht völlig neu ist, zeigt das 1972 gebaute „Baumhaus“ in Darmstadt.
(Foto: Georg Dörr)
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FRANKFURT - Architekten mögen keine Pflanzen an ihren Bauten, meint Peter Cachola Schmal, der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt (DAM). Logisch, denn das Grün verbirgt ja ihre besten Ideen. Zudem ist die Natur nicht immer zu kontrollieren – und damit suspekt für die Baumeister. Dabei ist Klimaschutz längst keine Frage mehr von Ideologien. Zudem sind Pflanzen die beste und billigste Klimaanlage, weiß Rudi Scheuermann aus eigener Erfahrung.
Er arbeitet für die internationale Ingenieurfirma Arup, die ein Experiment bei Hitze auf dem Flachdach eines amerikanischen Hochhauses gemacht hat. Auf der einen, blanken Dachhälfte wurden 60 bis 70 Grad gemessen; für angenehme 18 Grad in den Wohnungen musste also die angesaugte Luft erheblich abgekühlt werden. Auf der anderen, begrünten Dachhälfte waren es nur 24 Grad, da auch die Verdunstungskühlung von Pflanzen und Boden für eine niedrige Lufttemperatur sorgt. Damit war die erforderliche Kühllast bis 18 Grad sehr gering.
Nun stört die Begrünung auf einem Flachdach ja nicht nur die Architekten, sondern auch bei Bewohnern sind die Zweifel groß. Die Mieter trauen sich nicht so recht, die Eigentümer haben Angst vor Schäden an Fassade oder Dach und scheuen die Kosten für Pflanzen und Pflege. Dabei gibt es längst viele gelungene Projekte, nicht nur in klimatisch heißen Regionen.
Dass der Trend zwar gerade hochaktuell wird, aber nicht völlig neu ist, zeigt das 1972 gebaute „Baumhaus“ in Darmstadt. Foto: Georg Dörr
„Bosco Verticale – vertikaler Wald“ nennen die Architekten dieses Hochhauses in Mailand ihr Projekt. Foto: Dimitar Harizanov/Stefano Boeri Architett
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Das zeigt jetzt die vorerst nur virtuell zu sehende Ausstellung „Einfach grün – Greening the city“ im DAM, kuratiert von Rudi Scheuermann und Hilde Strobl. Der Titel verweist darauf, dass es nicht so schwierig ist, Fassade oder Dach zu begrünen und damit sommers wie winters eine Dämmung vor Hitze und Kälte zu haben. Von neun heißen Sommern, die seit 1881 gemessen wurden, haben wir allein acht seit dem Jahr 2000 erlebt.
Es ist also dringend an der Zeit, etwas zu ändern, vor allem in den Städten, wo heute schon die Häfte der Weltbevölkerung lebt und in 30 Jahren laut Prognose wohl zwei Drittel aller Menschen. Nicht nur die Neubauten müssen anders aussehen, auch die bestehenden Gebäude werden auf Dauer ein grünes Kleid bekommen. Denn die Pflanzen filtern zumindest zehn bis zwanzig Prozent des Feinstaubs vom Verkehr und mindern den Lärm um sechs bis acht Dezibel – immer vorausgesetzt, sie sind nah an der Staub- oder Lärmquelle dran. Alles über zehn Meter Höhe ist nur fürs eigene Wohlbefinden gut.
Die Schau kommt also nicht von ungefähr, wie viele Projekte zeigen. In Mailand wurden zwei Wohntürme mit 900 Bäumen, 5000 Sträuchern und 14 000 Bodendeckern bepflanzt – dieser „Bosco Verticale“ gewann 2014 den Internationalen Hochhaus-Preis. Zehn Jahre zuvor wurde in Paris ein neun Stockwerke hoher Sozialwohnungsbau durchweg mit 380 Balkontöpfen bepflanzt, aus denen robutes und preiswertes Bambus wächst und für die Bewohner kleine Inseln anbietet. Nicht zu vergessen das Darmstädter „Baumhaus“ direkt neben dem Landesmuseum – kaum zu glauben, dass der kühne Betonbau von 1972 ist!
Neben diesen großen Projekten rief das DAM auch dazu auf, kleinere Projekte mit Fotos und Daten zu dokumentieren. Da rankt seit 30 Jahren an einem Kölner Mehrfamilienhaus von 1961 neben Efeu auch Blauregen empor, da wurde in Saarbrücken aus einem Garagendach ein begrünter Dachgarten – alle diese Projekte sind bald auf der DAM-Website zu sehen. Das Museum geht selbst mit gutem Beispiel voran und hat seine zwölf kleinen Innenhöfe wieder geöffnet und nun auch begrünt mit den verschiedensten Pflanzmodulen bis hin zur nötigen Bewässerung und Substratversorgung.
So kann sich jeder in der Schau und im preiswerten Katalog – der mehr ein Handbuch ist, ein rundum gelungenes sogar – viele Anregungen holen und einige Ängste ablegen. Vielleicht bekommt man ja auch so die skeptischen Architekten mit ins Boot für begrünte Bauten. Besser aussehen tut das Grün sowieso als die immer gleichen Fassaden.