"Die beiden Frauen werden sich nicht anzicken"

aus Tatort & Polizeiruf 110

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Die Neue im Team: Lina Beckmann ist Melly Böwe. Foto: NDR/Christine Schroeder
© NDR/Christine Schroeder

Lina Beckmann ist die Neue im "Polizeiruf 110" Rostock. Am Sonntag, 24. April, ermittelt Beckmann als Melly Böwe erstmals an der Seite von Anneke Kim Sarnau im Film "Seine...

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. Im Interview beschreibt Lina Beckmann ihren Einstieg in den Sonntagabendkrimi und stellt uns ihre Filmfigur Melly Böwe vor.

Frau Beckmann, wie wird sich der Rostocker "Polizeiruf" in der neuen Konstellation entwickeln? Worauf dürfen wir uns freuen?

Lina Beckmann: Uns war wichtig, dass die Zuschauer jetzt was ganz anderes suchen als Bukow war. Die Paarung Bukow/König war so besonders und toll. Auch der Charakter des gesamten restlichen Teams. Mir war wichtig, jetzt etwas ganz anderes dagegenzusetzen. Einen Menschen, der ganz hell und licht auf Menschen zugeht, ohne Dünkel. Aber auch einen Menschen, der nicht naiv ist. Eine Frau, die nicht denkt, dass jeder Mensch gut ist, aber niemandem eine Karte zuschiebt oder ihn in die Schublade steckt. Das war ja so ein Trick bei Bukow, dass er jemanden angegangen ist oder in die Ecke gedrängt hat.

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Melly Böwe arbeitet genau anders. Sie schaut erst mal, wer da vor ihr steht, begegnet dem Menschen offen, sucht die Gespräche. Allein dadurch verändert sich etwas. Dann verändert sich natürlich, dass keine Liebesbeziehung mehr im Raum steht, dass zwei Frauen gemeinsam ermitteln und gemeinsam im Kommissariat sind. Das wirft die Konstellation ohnehin durcheinander. Denn auch die anderen im Revier müssen mit dem Wechsel zurechtkommen.

Wir hatten außerdem Lust auf ein bisschen mehr Humor, dass beide Frauen etwas humorvoller erzählt werden. Ansonsten hoffe ich, dass die Fälle weiterhin spannend sind und im Vordergrund stehen. Und dass wir sehen, wie diese beiden Frauen die Fälle auf unterschiedliche Weise lösen, unterschiedlich herangehen. Es sind eben zwei sehr starke Frauen, aber grundverschieden.

Glauben Sie, dass Frauen generell anders miteinander arbeiten, als es in einer Frauen-/Männer-Konstellation der Fall ist? Losgelöst davon, dass es bei Bukow/König eben auch noch die Liebesbeziehung gab?

Beckmann: Das glaube ich schon, aber darüber haben wir gar nicht viel gesprochen. Ich merke aber, dass auch ich mich ganz anders verhalte, wenn nur Frauen im Raum sind oder eben nur Männer. Aber bei Böwe und König stehen andere Themen im Raum.

Wird es mehr Augenhöhe geben?

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Beckmann: Fehlende Augenhöhe wird bei den beiden Frauen sicher kein Thema sein. Es wird eher darum gehen, dass sie sehr unterschiedliche Frauen sind, die unterschiedlich auf Menschen reagieren. König reagiert anders auf Schwäche oder auf die unterschiedlichen Figuren, die ihnen begegnen, als Melly Böwe.

Schon im ersten gemeinsamen Film bemerkt man zwischen König und Böwe eine Art wortloses Verständnis...

Beckmann: Das wollten wir auch haben. Obwohl sie unterschiedlich sind, werden sie sich nicht anzicken oder bekriegen. Sie haben nicht nur eine wahnsinnige Achtung voreinander, sondern vielleicht auch manchmal die gleichen Ideen.

Dass Melly Böwe Bukows Halbschwester ist, kann auch bedeuten, dass immer so ein Bukow-Schatten über allem schwebt. Sehen Sie das ähnlich?

Beckmann: Ich fordere das fast ein, dass er eben nicht verschwindet, denn sonst fände ich die Idee, dass Melly die Halbschwester ist, fast überflüssig. Ich finde, dass eine große Qualität darin liegen kann, dass die beiden Frauen miteinander verbunden sind durch einen Menschen, den beide wahnsinnig lieben. Und zwar ohne, dass der Name Bukow ständig fällt. Dieser Mann ist aber nun weg. Was weiß die andere über ihn. Wo ist er? Spricht vielleicht die eine mit ihm, die andere nicht? Aber ganz ohne, dass es ständig Thema ist oder benannt wird.

Ich hatte die Idee, dass Melly Frau König manchmal an ihn erinnert. Indem sie Sachen ähnlich isst oder an die gleichen Orte fährt. Dass Katrin König vielleicht manchmal irritiert ist, denkt "komisch, das macht Bukow genauso", dass sich Melly und Bukow ähnlich sind, wie es eben bei Geschwistern manchmal der Fall ist. Ich finde, darin liegt eine Qualität. Das sollte man nicht versuchen, rauszuhalten. Denn dann hätte ich auch irgendwer sein können.

Was hat Sie gereizt, sich nach vielen Jahren der intensiven Theaterarbeit dem Film zuzuwenden, der ja in dieser Form auch mit zwei Filmen pro Jahr eine längere Bindung bedeutet?

Beckmann: Für mich ist der Beruf der Schauspielerei ganz vielseitig. Ich finde es selbst ganz schade, wenn man als Schauspieler nur eine Seite des Berufs kennenlernt. Beim Drehen dachte ich ganz oft, wie schade es ist, dass ich jetzt nur drei oder acht Tage Dreh hatte. Ich möchte doch gerne manchmal noch viel mehr lernen. Darüber, was dieses Drehen für mich ist und worin die Qualität als Schauspieler liegt. Mit dieser Rolle habe ich mich selbst ein wenig herausgefordert. Ich habe mir gesagt: "Probier' das doch mal, vielleicht wird das ganz cool." Für mich geht es auch darum, den Beruf weiter abzuklopfen und zu lernen, was für mich vor der Kamera noch möglich ist. Was da noch schlummert. Ich finde auch, Krimis zu erzählen und auf lange Sicht eine Figur zu entwickeln – das ist eine große Herausforderung. Und das reizt mich.

Was hat Ihr Ehemann Charly Hübner zum ersten Film gesagt? Ist er noch dabei, involviert?

Beckmann: Ja, er hat mich wahnsinnig unterstützt beim Dreh. Er hat mir geholfen, wenn ich Fragen hatte oder Entscheidungen nicht richtig treffen konnte. Er hat mich beraten und nach den Drehtagen zugehört. Das war alles neu und aufregend für mich, und natürlich hat er da als Ehemann aufmerksam zugehört und war anwesend. Er hat den Film aber noch nicht gesehen.

Konnten Sie die Figur mitentwickeln?

Beckmann: Ich wurde in alles einbezogen. Es gab viele Ideen. Manche haben es geschafft, manche nicht, weil sie nicht funktionieren. Manche werden noch getestet, vielleicht werden die nicht funktionieren. In den ganzen Prozess sind Anneke und ich einbezogen. Wir werden fast nie vor vollendete Tatsachen gestellt, was mich sehr positiv überrascht. Aber ich bin wirklich sehr gefragt worden, welche Ideen für mich okay sind. Ich erlebe da auch eine Neugier, was meine eigenen Ideen betrifft.

Der Chefposten ist noch vakant. Jetzt, wo Bukow weg ist. Gibt es da noch Konfliktpotenzial zwischen den beiden Frauen?

Beckmann: Nein. Nicht zwischen den beiden.

Wie haben Sie denn die Reaktion aus der Fangemeinde aufgenommen? Spürt man eine Bürde, wenn man in die Fußstapfen einer so beliebten Rolle tritt?

Beckmann: Ich war überrascht, wie aufmerksam und auch verletzt dieser Ausstieg beobachtet wurde. Und wie spannend aber auch die Zukunft jetzt ist für ein Format, das die Leute so sehr lieben gelernt haben. Das empfinde ich als wahnsinnige Verantwortung. Es ist für mich aber auch eine ganz neue Erfahrung, dass die Menschen eine Figur so sehr vermissen. Und ich finde das ganz krass, dass Leute sagen "oh, ich will, dass der wiederkommt" oder "oh nein, Bukow ist weg, das ist so schrecklich". Dann denke ich schon, dass das ein Wahnsinn ist, wie wichtig diese Figur Bukow für dieses Format geworden ist.

Aber ich bin jetzt in dieser Rolle Melly Böwe, und ich muss mich von all dem lösen und sagen: "Wir fangen was Neues an. Und wäre ich es nicht gewesen, wäre jemand anders neu gekommen." Mir ist ganz bewusst und klar, dass das eine Verantwortung ist, die ich trage.

Können Sie die Fan-Reaktionen verstehen?

Beckmann: Natürlich. Mir geht es doch ganz genauso, dass ich dieses Paar und dieses Fünfer-Team wahnsinnig mochte. Natürlich konnte ich den Prozess des Ausstiegs nicht neutral gucken, weil ich ja schon wusste, dass ich übernehme. Uns war allen klar, Charly auch, dass die Reaktion heftig sein würde. Ich bin trotzdem beeindruckt davon, wie sehr es einige mitgenommen hat.