Meta-Ebene rettet plakative Geschichte

aus Tatort & Polizeiruf 110

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Schmitz (Florence Kasumba, l.) und Lindholm (Maria Furtwängler) wachsen als Team zusammen. Foto: NDR/Frizzi Kurkhaus
© NDR/Frizzi Kurkhaus

Es geht um patriotischen Feminismus, um eine junge rechte Szene: Als Jura-Studentin Marie Jäger tot im Göttinger Stadtwald gefunden wird, müssen die Kommissarinnen Charlotte...

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. Jäger hatte einen erfolgreichen Blog namens "National feminin", polarisierte mit ihrer Meinung und war ein Star der rechten Szene – und Aushängeschild der "Jungen Bewegung". Schnell beginnt im Netz Meinungsmache gegen die Polizei, gegen den Staat, gegen die Demokratie – übrigens stilistisch wunderbar eingefangen und abgebildet, sowohl visuell als auch akustisch.

Schnell kommt heraus: Jäger hatte einen Stalker, die Polizei ging der Sache jedoch nicht nach. Und relativ schnell erfahren wir auch: Die Studentin hatte eine Affäre mit der designierten Verfassungsrichterin Sophie Behrens (Jenny Schily). Aber natürlich geht es hier nicht nur ums Private.

Autor Florian Oeller und Regisseurin Franziska Buch plakatieren den Film 90 Minuten lang mit deutlichen Botschaften. Hier bleibt nichts subtil, nichts wird angedeutet – an manchen Stellen ist "National feminin" etwas zu deutlich, erzählt zu viel, wirkt zu sehr wie eine Belehrung. Auch wenn der Subtext dadurch nicht falsch wird. Eindrücklich ist der Film vor allem dann, wenn er sich auf die Meta-Ebene begibt. Das tut er in einer Szene, als Schmitz einen Verdächtigen – ebenfalls der rechten Szene angehörig – vernimmt. Der donnert ihr daraufhin ins Gesicht, dass sie die Fresse halten, zurück nach Afrika gehen und gefälligst aus Deutschland verschwinden solle, da sie in Deutschland nichts verloren habe. Sätze, die Schauspielerin Kasumba auch ins Gesicht schlagen dürften, würde sie die Kommentarspalten der offiziellen "Tatort"-Seiten in den sozialen Netzwerken lesen.

Doch Schmitz bleibt ruhig – vermutlich ebenso wie Kasumba, die sich als Partnerin für Furtwängler auch im dritten Fall als Top-Besetzung herausstellt. Schmitz/Lindholm sind ein tolles Gespann, und da nervt es leider extrem, dass Lindholm nun auch in diesem Film dem Gatten der Kollegin nachgeifert. Das Thema sollten sie dringend aus den nächsten Büchern streichen. Es ist überhaupt nicht glaubhaft und es ist überhaupt nicht unterhaltsam. Es nervt, es passt nicht, es ist daneben. Immerhin: Wir sehen Lindholms Sohn mal wieder.

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Glaubhaft in ihrer Rolle ist auch Jenny Schily als reaktionäre Juristin Sophie Behrens, lesbisch, aber patriotisch-feminin. Ihre Ambivalenz, ihre Trauer versteckt hinter einer dicken Mauer, das ist glaubhaft. Die im Film leider überzeichneten Rechtsextremen sind genau das – klischeehaft, überzeichnet. Die neue Rechte ist nicht die alte. Eventuell hat man das bei der Besetzung oder Zeichnung der Rollen übersehen.

Unterm Strich steht ein Film, der vor allem am Sonntagabend und Montagmorgen wieder für einen gehörigen Shitstorm auf den "Tatort"-Seiten sorgen dürfte.

Am eindrücklichsten ist übrigens die zweite Szene, mit der sich "National feminin" selbst karikiert. Als Lindholm den Verdächtigen wegen seiner rassistischen Bemerkungen zurechtweist, ist es ausgerechnet die dunkelhäutige Schmitz, die dem Einhalt gebietet und feststellt, dass sie so den Fall nicht lösen werden. Daraufhin bemerkt Lindholm: "Ich mach' das auch für dich." Schmitz jedoch sagt sinngemäß: "Ich hab dich nicht darum gebeten." Damit ist alles über den Film gesagt. Er ist unterhaltsam, spannend, wühlt auf, macht nachdenklich, in Teilen auch wütend. (Kirsten Ohlwein)

Das Erste zeigt den "Tatort: National feminin" am Sonntag, 26. April, um 20.15 Uhr.