Regie-Altmeister Pedro Almodóvar überzeugt mit einem überraschend tiefgründigen Feminismus-Drama und thematisiert dabei die Verbrechen der Franco-Ära.
. Ein Kreis schließt sich: Ihren ersten Auftritt in einem Film von Pedro Almodóvar hatte die damals international noch unbekannte Penélope Cruz 1997 in „Live Flesh“ als schwangere Prostituierte. In „Leid und Herrlichkeit“ (2019), dem vorangegangenen Film des Altmeisters, durfte sie den Part der jungen Mutter von Almodóvars Alter Ego übernehmen.
Und im aktuellen Werk des spanischen Regisseurs spielt Cruz nun erneut eine Schwangere. Man mag einwenden, dass es in sehr vielen Filmen des inzwischen 72-Jährigen – vor allem in dessen melodramatischem Alterswerk – um Mütter geht. Und auch diesmal ist es wieder so. Genauer gesagt sind es drei sehr verschiedene Mütter: Janis (Cruz) ist zwar unbeabsichtigt schwanger geworden, freut sich andererseits aber über die vielleicht letzte Chance, überhaupt noch Mutter sein zu können. In der Klinik lernt sie die minderjährige Ana (Newcomerin Milena Smit) kennen, die über ihre ebenfalls ungewollte Schwangerschaft alles andere als glücklich ist – zumal deren Mutter (Aitana Sánchez-Gijón) sich mehr für ihre eigene Theaterkarriere interessiert als für ihre Tochter und das Enkelkind.
Janis und Ana freunden sich an und tauschen ihre Telefonnummern aus. Danach trennen sich aber zunächst ihre Wege. Janis nimmt – obwohl sie als Alleinerziehende nicht wieder voll durchstarten kann – ihre Arbeit als Fotografin für das Modemagazin ihrer Freundin (Rossy de Palma) wieder auf und trifft nach einigen Monaten zufällig auf Ana, die ganz in der Nähe als Kellnerin in einem Café arbeitet. Als Janis erfährt, dass Anas Baby am plötzlichen Kindstod starb und sie nun ganz auf sich allein gestellt ist, bietet sie ihr an, in einer gemeinsamen Wohnung zu leben und tagsüber die kleine Tochter zu betreuen. Nebenbei entwickelt sich sogar noch eine Romanze zwischen den beiden Frauen.
Richtig kompliziert wird es aber, als Janis daran zweifelt, dass der forensische Anthropologe (Israel Elejalde), den sie mit der Exhumierung ihres Urgroßvaters – während der Franco-Diktatur wurde er mit anderen Männern ermordet und in einem Massengrab verscharrt – beauftragt hat und mit dem sie eine kurze Affäre hatte, der Vater ihres Kindes ist. Eine DNA-Analyse bestätigt ihren Verdacht, und schnell wird ihr klar: Die Kinder wurden kurz nach der Geburt im Krankenhaus vertauscht, und ihres ist somit gestorben. Wie kann sie dieser Zwickmühle entrinnen und Ana noch reinen Gewissens gegenübertreten?
In Pedro Almodóvars spannendem Feminismus-Drama „Parallele Mütter“ geht es nicht nur um mütterliche Leidenschaft, sondern auch um Identität und unterdrückte Wahrheiten. Letzteres sogar auf politischer Ebene, denn zum ersten Mal macht der Oscar-Preisträger direkt auch das Aufarbeiten des kollektiven Bürgerkriegstraumas Spaniens zum Thema – und zwar mit einer tiefen Ernsthaftigkeit. Die Vermischung der beiden Erzählebenen gelingt ihm auf meisterhafte Weise ohne große dramaturgische Verrenkungen. Und trotz des Fehlens allzu schriller Farbästhetik und Komödienhaftigkeit bleibt er dabei doch immer noch typisch almodóvaresk. Penélope Cruz wurde für ihre Rolle bereits 2021 bei den Filmfestspielen von Venedig als beste Darstellerin ausgezeichnet und ist nun auch für den Oscar nominiert – ebenso Alberto Iglesias für die beste Filmmusik. Wer speziell Almodóvars Alterswerk mag, wird auch diesen Film wieder lieben.