Ein schwarzes Schelmenstück zeigt Vokabeltests auf Leben und Tod im Konzentrationslager – nach einer Geschichte von Wolfgang Kohlhaase.
DARMSTADT. Es ist ein Schelmenstück der Angst: Gilles, Sohn eines Rabbis aus Antwerpen, tauscht noch auf der Fahrt zur Exekution seine Stulle gegen ein Buch auf Farsi. Seine Schicksalsgefährten liegen schon niederschossen vor den Nazi-Schergen, da behauptet der Jude, er sei Halb-Perser. Wie es das Drehbuch von Ilya Zofin nach einer Erzählung von Wolfgang Kohlhaase will, sucht Hauptsturmführer Klaus Koch im KZ gerade einen Lehrer, der ihm Farsi beibringen kann. So landet Gilles, der sich fortan Reza nennt, statt im Massengrab in der Lager-Küche.
Der SS-Mann, der nicht nur Koch heißt, sondern auch einer ist, will vier neue Begriffe pro Tag lernen, um nach dem Krieg mit einem soliden Basiswortschatz ein Restaurant in Teheran zu eröffnen. In seiner Not muss Reza eine Sprache erfinden, im Geist ein Wörterbuch für den Unmenschen zusammenstellen. Es ist eine Gaukelei, die ihm Improvisation und Konzentration abverlangt. Jede Lektion in Fake-Farsi wird ein Vokabeltest auf Leben und Tod.
Mit großen Augen spielt Nahuel Pérez Biscayart einen Sprachfälscher, der bänglich staunt über seine eigene Chuzpe. Dieser Schwindel muss doch scheitern. Und es misslingt auch, um dann nur umso aberwitziger und tragischer zu glücken.
Wie Reza sich am Herd sein Küchenlatein zusammenkocht, das er anschließend beim Küchenchef serviert, das ist ein Eulenspiegel-Thriller. Der Film des aus der Ukraine stammenden US-Regisseurs Vadim Perelman erinnert dabei an Werke wie „Jakob der Lügner“ oder „Das Leben ist schön“, die auch davon handeln, wie sich das Grauen durch Täuschung ertragen und überwinden lässt. An solche Vorbilder reicht „Persischstunden“ indes nicht heran.
Die Intrigen im Lager, Eifersucht und Niedertracht, Hohn und Spott unter den Männern und Frauen der SS lassen den Holocaust bisweilen eher wie einen Nachbarschaftsstreit erscheinen. Der Versuch, die Bösartigkeit der Spießer zu kitzeln, wirkt doch recht harmlos.
So geht die Geschichte in zwei Stunden etwas aus dem Leim, schnurrt jedoch in den besten Momenten immer wieder zusammen auf das Kammerspiel zwischen dem Lehrer und dem Schüler, dem verwegenen Sprachpanscher und dem Mann, der genüsslich das Menü für die Mörder zusammenstellt. Der Zuschauer, der Rezas Streiche bewundert, erfährt dabei nichts von Gilles. Klaus Koch aber wird im Laufe seiner Lektionen immer zutraulicher.
Anfangs verlegt sich Lars Eidinger noch ganz auf das braune Abziehbild: ein Stotterer und Pedant, ein brüllender Eierkopf mit pomadisiertem Seitenscheitel, eben noch jovial, dann wieder brutal und dabei stets selbstverliebt und selbstgefällig. Neben dem Schelm ist er der Narr. Und würde diese Geschichte nicht in einem Konzentrationslager spielen, dann gehörte sie unbedingt auf die Clownsbühne.