"Teheran": extrem spannend

Der erste Eindruck täuscht: Die israelische Agentin Tamar Rabinyan (Niv Sultan) beweist im Iran stählerne Nerven.  Foto: dpa

Odyssee im despotischen Mullah-System: Die israelische Spionageserie "Teheran" bei Apple TV Plus beleuchtet brandaktuell den "Schattenkrieg" zwischen Israel und Iran.

Anzeige

. Als auf dem Flug von Jordanien nach Indien die Durchsage kommt, dass das Flugzeug wegen eines technischen Problems in Teheran zwischenlanden muss, geraten zwei Touristen in Panik. Sie sind Israelis und haben begründete Angst vor iranischen Behörden. Gleich in der ersten Szene dieser Serie werden handfest die alltäglichen Gefahren des iranisch-israelischen Konfliktes vorgeführt. Doch das ist nur das Vorspiel, hinter dem sich eine ausgeklügelte Spionageaktion verbirgt. Eine Agentin des Mossad wird in den Iran eingeschmuggelt, mit der Mission, das Stromnetz der iranischen Hauptstadt lahmzulegen und damit die Luftabwehr zu sabotieren. So soll den Israelis ein Luftangriff auf die Atomanlagen der Iraner zu ermöglicht werden. Doch die Aktion geht schief, und plötzlich ist Tamar, eine Computerhackerin, mitten im Feindesland auf sich allein gestellt. Ihr Gegenspieler, der skrupellose Faraz, ein Agent der Revolutionsgarde, gerät auf seiner Jagd auf die junge Israelin selbst ins Fadenkreuz.

Israelische Serien feiern weltweit Erfolge, wie beispielsweise "Shtisel", die Saga einer ultraorthodoxen Familie, oder die Actionserie "Fauda" über eine Spezialeinheit im Kampf gegen palästinensische Terroristen. Auch "Teheran", konzipiert von Moshe Zonder, Drehbuchautor von "Fauda", ist extrem spannend. Das ist einerseits Hauptdarstellerin Niv Sultan zu verdanken, die als Agentin Tamar auf ihrer ersten Mission mädchenhaft und zart wirkt, aber im Hase-und-Igel-Spiel mit ihren Häschern stählerne Nerven entwickelt. Für Tamar, im Iran geboren und bei Khomeinis Machtantritt mit ihren Eltern nach Israel geflohen, bedeutet Teheran auch die Wiederentdeckung ihrer alten Heimat, zumal sie in ihrer Not die Schwester ihrer verstorbenen Mutter um Hilfe bittet. Die Tante, mit einem Iraner verheiratet, muss ihre jüdischen Wurzeln geheim halten, schon um ihre Familie zu schützen.

Ihre Brisanz gewinnt diese Spionageserie, in der drei Sprachen - Hebräisch, Englisch und Farsi - gesprochen werden, aber besonders durch die reale, brandaktuelle Bedrohung durch den iranischen Atombombenbau. Mit Gusto werden die Strategien des "Schattenkriegs" zwischen Israel und Iran ausgemalt, inklusive menschlicher Kollateralschäden. Teheran - von Athen gedoubelt - erscheint jedoch nie als scheußliches "Mordor". Die Stadt wird extrem widersprüchlich dargestellt, einerseits von mittelalterlicher Grausamkeit geprägt, mit Baukränen, an denen Leichen hängen, Folter als üblicher Praxis, herrischen Männern, Gewalt und Willkür. Doch Tamar, die Kontakt mit dem jungen Oppositionellen Milad aufnimmt, taucht auch in die hippe Undergroundszene. Von Razzien bedroht, feiern coole Studis Rave-Partys in der Wüste, auch Drogen sind in diesen privaten Fluchten allgegenwärtig. Somit ist die Serie auf ein jüngeres Publikum gemünzt.

Es geht auch um den Luxus von Gefühlen; Liebe macht erpressbar, was selbst Faraz erfahren muss. Der Feind ist hier das despotische Mullah-System, weniger die Menschen, die letztlich mehr verbindet als trennt. Leider werden mit dem grotesk unglaubwürdigen Ende der ersten Staffel die zuvor so differenziert ausgemalten Charaktere Lügen gestraft. Und dennoch freut man sich auf die Fortsetzung von Tamars persischer Odyssee in der angekündigten zweiten Staffel.