Der letzte Einsatz von Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger) im „Polizeiruf 110“ aus München. Hatte Bessie nicht gerade erst den Dienst aufgenommen?
München. Ja, gefühlt ist das so. Nun heißt es schon wieder Abschied nehmen. Und der fällt sehr schwer, der Abschied, denn „Paranoia“ reiht sich in der viel zu kurzen Reihe der Münchner „Polizeirufe“ mit Altenberger sehr weit oben ein, direkt hinter „Schrödingers Katze“.
Lohnt sich das Einschalten? Unbedingt. Das Drehbuch von Martin Maurer, der eine Vorlage von Claus Cornelius Fischer umgesetzt hat, ist unerbittlich. Die ersten zehn Minuten sind deshalb zäh, weil man nicht ganz versteht, wieso man all das sehen und wissen muss. Aber das erklärt sich später und ist auf die eine oder andere Art wichtig.
Was passiert in „Paranoia“? Die Rettungssanitäterin Sarah Kant (Marta Kizyma) wird mit ihrem Kollegen und Ex-Freund Carlo Melchior (Timocin Ziegler) zu einem Einsatz gerufen. Sie finden eine schwerverletzte Frau vor, bringen sie ins Krankenhaus. Am nächsten Tag ist die Frau weg. Alle Eintragungen über den Einsatz sind gelöscht. Kant, die wegen der Trennung von Melchior ohnehin psychisch angeschlagen ist, beginnt an sich zu zweifeln. Auch der Zuschauer zweifelt an Kant, an ihrer Glaubwürdigkeit, an der Geschichte. Aber nie an Bessie. Die geht unbeirrt ihren Weg, folgt ihrem Bauchgefühl, sieht einmal einen Toaster vor sich, als sie glaubt, zu sterben. Bleibt stark, bleibt folgerichtig.
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) verfolgen sie nun nicht nur Kant, die vermutet, dass sie verfolgt wird, sondern auch einen Mörder mit roten Schnürsenkeln. Die Fäden laufen dabei erst spät zusammen.
Man kann Krimi machen, man kann „Tatorte“ und „Polizeirufe“ machen, die immer solide sind, gut unterhalten. Und man kann „Polizeirufe“ so machen, dass sie immer ein bisschen über all den anderen Ablegern schweben, weil sie sich mehr rausnehmen, mehr trauen. Sei es über die Sprache – für Eyckhoff sind beispielsweise erst mal alle Personen weiblich, ja, das muss man sich trauen. Sei es über die Protagonisten, denen man gern trauen möchte, sich aber nicht traut. Schwarz und weiß verwischen zu einem Grau, das man mitunter schlecht aushalten kann, aber eben muss. Das war die große Stärke am Münchner „Polizeiruf 110“ mit Altenberger. Die große Stärke einer Figur, die noch lange nicht auserzählt war und vielleicht genau deshalb in Erinnerung bleiben wird.
„Paranoia“ ist eine Wucht und lässt den Zuschauer etwas unruhig zurück. Auch das muss man aushalten wollen. Geübte Krimi-Gucker werden das locker schaffen.
Das Erste zeigt den „Polizeiruf 110: Paranoia“ am Sonntag, 11. Juni, um 20.15 Uhr.