Der Darmstädter Künstler Bernhard Meyer berichtet als Jury-Mitglied über die Auswahlkriterien der Stiftung Kunstfonds in Bonn.
DARMSTADT/BONN. Es ist klar: Das Corona-Jahr hat viele freischaffende Künstler in Existenznöte gebracht. Staat und Bundesländer wollen das Kulturland Deutschland erhalten und helfen, wobei häufig das Wort Stipendien fällt. Doch wie werden solche Stipendien überhaupt vergeben, die es in der Regel ja schon seit Jahrzehnten gibt? Ein Gespräch mit dem Darmstädter Künstler Bernhard Meyer bringt hier Klarheit über die Modalitäten einer der renommiertesten deutschen Institutionen in diesem Bereich: der 1980 gegründeten, vom Bund finanzierten Stiftung Kunstfonds mit Sitz in Bonn.
Meyer ist im fünften von maximal sechs möglichen Jahren Vertreter des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) in der Vergabekommission für Stipendien an Bildende Künstler. Diese konnte für das Jahr 2020 immerhin 104 Jahresstipendien (rund 2000 zu versteuernde Euro monatlich) und 27 auf konkrete Projekte, nicht den Lebensunterhalt bezogene Förderungen (bis zur Höhe von 25 000 Euro) ausschütten. Dabei zählt vor allem die Bewerbungsmappe, denn die Zugangsbeschränkungen sind vergleichsweise gering: Das Alter ist nicht entscheidend, und man muss nicht Kunst studiert haben, sondern vor allem sein Werk darstellen. Ausgeschlossen sind nur Noch-Studenten und Bewerber, die neben der Kunst mehr als einen Minijob ausüben. „So haben wir beispielsweise schon an einen 81 Jahre alten Bewerber ein Jahresstipendium vergeben, weil seine Arbeiten so frisch erschienen“, sagt Meyer.
Er ist begeistert davon, welch „toller Mix an Fachkompetenz in dieser Jury an zweimal dreieinhalb sehr arbeitsreichen Tagen im Jahr zusammenkommt“ – selbst wenn das im vergangenen Jahr nur per PC-Schalten möglich war. Denn es entscheiden insgesamt 16 Vertreter vom Deutschen Künstlerbund, dem BBK, der Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfreunde (Gedok), dem Bundesverband Deutscher Galerien, der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, dem Internationalen Künstlergremium und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine.
„Die größte Gruppe sind dabei die Künstler“: Das ist für Bernhard Meyer genauso wichtig wie die Tatsache, „dass immer klar ist, dass man als Juror nicht seine Organisation vertritt. Erstens kennen wir die eingereichten Unterlagen nicht. Dann werden wir zunächst in Zweiergruppen jenseits von Organisationsgrenzen aufgeteilt.“
Jedes dieser Doppel erhält einen dicken Bewerbungspacken, aus dem es zwei Stapel bildet: Ein Drittel der Bewerber ist ihrer Meinung nach förderungswürdig, zwei Drittel sind es nicht.
Was aber keineswegs für alle Ausgewählten Grund zum Jubeln ist und nicht für jeden Ausgeschiedenen heißen muss: Das war‘s. Denn: „In Runde zwei werten wir alle noch einmal gemeinsam nach einem Punktesystem zwischen 0 und 2.“ Hier ist es auch möglich, aus dem Stapel der Abgelehnten jemanden erneut hervorzuholen.
Die Chancen auf Kunstfonds-Förderung stehen für Bewerber übrigens gar nicht schlecht: „2020 gab rund 1500 Bewerbungen für die Jahresstipendien, aus denen die 104 ausgewählt wurden. Und wer nicht bedacht wurde, kann es im Jahr darauf wieder angehen“, sagt Bernhard Meyer. Ihm geht es auch darum, mehr Künstler der Region zur Bewerbung anzuregen. „Mindestens ein Viertel der Stipendiengelder geht nach Berlin, gefolgt von Düsseldorf und München. Unsere Region ist untervertreten.“
Von Annette Krämer-Alig