In der Rhetorik-Falle: Eklat auf der Frankfurter Buchmesse und...
Auch ohne den Eklat auf der Buchmesse wäre die gerade erschienene Streitschrift „Mit Rechten reden“ das Buch der Stunde. Oder zumindest ein Buch, das man allen empfehlen...
FRANKFURT. Auch ohne den Eklat auf der Buchmesse wäre die gerade erschienene Streitschrift „Mit Rechten reden“ das Buch der Stunde. Oder zumindest ein Buch, das man allen empfehlen sollte, die besser verstehen wollen, wieso die öffentliche Debatte über den Umgang mit der Neuen Rechten schnell so verfahren wird. Jetzt, nach dem Chaos um den rechten Antaios-Verlags (dessen auf der Messe präsentiertes Buch „Mit Linken leben“ als Antwort gedacht ist, aber in Unkenntnis des Inhalts der Streitschrift geschrieben worden sein muss), wirkt der Eklat fast wie eine Bestätigung der Thesen, die Per Leo (Historiker), Maximilian Steinbeis (Jurist/Journalist) und Daniel-Pascal Zorn (Philosoph) auf 183 Seiten entwickeln.
Aber der Reihe nach. Zunächst ist es wichtig, festzustellen, dass man weder Titel noch Untertitel missverstehen sollte. „Ein Leitfaden“ bedeutet nicht, dass die Autoren darin wie in einem Ratgeber Tipps erteilen. Sie „wollen nicht voreilig vor etwas warnen oder zu etwas raten“, schreiben sie „sondern auf ein Problem hinweisen“. Zum andern ist „mit Rechten reden“ nicht als Aufforderung zu verstehen, denn: „Es geht schon lange nicht mehr um Frage, ob wir mit den Rechten reden sollen, sondern allein darum, wie wir es tun.“
Was aber ist die Streitschrift dann? Vor allem die Analyse eines Sprachspiels, in dem sich Nicht-Rechte mit Rechten befinden. Ein Sprachspiel, bei dem Nicht-Rechte sehr schnell in die Rhetorik-Falle geraten können. Denn wie es die Autoren einen fiktiven Informanten anhand einer surrealen Parabel über das „Theater der Linken“ darlegen lassen (von der Idee, dass es sich um ein klassisches Sachbuch handelt, sollte man sich verabschieden): Die Strategen der Neuen Rechten haben ihren Feind – als solchen betrachten sie all jene, die nicht für sie sind – genau studiert und kalkulieren seine Reaktionen in ihre Redestrategien ein. Sie selbst, so die Autoren, sehen sich als Opfer aller Nicht-Rechten, die „ihnen die Anerkennung verweigern“, gleichzeitig müssten sie „um als Rechte zu existieren“ gegen die Nicht-Rechten reden. Das geschieht in Form eines Sprachspiels, das mit gezielten Provokationen beginnt. In der Erwartung, dass Nicht-Rechte darauf mit moralischer Empörung reagieren – und Rechte sich dann als Opfer nicht-rechter Aggression inszenieren können.
Buchmessen-Direktor will Vorfälle genau analysieren
Da diese Opferrolle ein zentraler Mythos der Neuen Rechten ist, trügen Nicht-Rechte mit ihrer moralischen Empörung so weniger dazu bei, der Normalisierung rechter Ansichten durch Ausgrenzung entgegenzuwirken, als dass sie eben eine vorab einkalkulierte Rolle in einem rhetorischen Spiel übernehmen. Ein Spiel, durch das die Neue Rechte auch über die Schwäche inhaltlicher Positionen hinwegtäuschen – und vor allem Aufmerksamkeit erzeugen kann.
Das sieht auch Buchmessen-Direktor Juergen Boos, der wegen der angekündigten Präsenz von Antaios schon vor der Messe in Rechtfertigungszwang stand, ähnlich. „Die Berichterstattung im Vorfeld hat zu einer aufgeheizten Stimmung geführt – nebenbei hat sie auch dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad dieser Verlage zu erhöhen,“ sagt er. Hinzufügen könnte man: Für den Eklat im Rahmen der Proteste gegen Antaios gilt das natürlich noch mehr.
Dazu, wie die Buchmesse im kommenden Jahr mit Auftritten neurechter Verlage umgehen will, will Boos sich jetzt noch nicht äußern. Dazu müssten die Vorfälle genau analysiert werden, und die Branche müsste nach einer gemeinsamen Position suchen. Vielleicht ließen sich für den Protest neue Formate finden, „um sicherzustellen, dass man sich nicht nur anschreit, sondern auch zuhört“.
Nicht verhandelbar sei jedoch, dass die Frankfurter Buchmesse für Meinungsfreiheit stehe: „Veröffentlichungen, die nicht verboten sind, können auf der Buchmesse ausgestellt werden, auch wenn wir sie problematisch finden“, so Boos. Wegen Volksverhetzung oder Jugendgefährdung verbieten könnten Bücher nur Strafgerichte und Staatsanwaltschaften – alles andere käme einer Zensur gleich. Die wiederum läuft nicht nur dem Rechtsstaat zuwider – ein Blick in „Mit Rechten reden“ zeigt, wieso Boykott auch rein strategisch gesehen keine gute Idee ist.
Von Johanna Dupré