Podiumsgespräch über Corona-Folgen

Hessens Kunstministerin Angela Dorn am Sonntag in der Darmstädter Centralstation bei der Podiumsdiskussion über die Folgen der Corona-Krise für die Kultur. Foto: Andreas Kelm
© Andreas Kelm

Über Corona-Schäden für die Kultur diskutierten in Darmstadt unter anderem Hessens Kulturministerin Angela Dorn und OB Jochen Partsch.

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DARMSTADT. Weiträumig gestellte Stühle, wenige Gäste: Die Centralstation ist coronatauglich am Sonntagvormittag. „Kulturschock – Die Folgen der Corona-Krise“ lautet das Thema, und Moderator Markus Philipp diskutiert mit der Hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch, der Darmstädter Philosophie-Professorin Petra Gehring, dem Zauberer Nicolai Friedrich und dem Geschäftsführer der Firma S-Promotion, Stefan Schornstein.

Ihre Ausgangsposition ist, dass die Kultur aktuell so viel verbale Wertschätzung findet wie selten, und viel Geld in die Hand genommen wird, um sie zu erhalten. Aber es reicht nicht immer oder kommt nicht an, und der Lockdown hält die Kultur in Schach. Stefan Schornstein, Veranstalter für Großevents in der Region, beispielsweise rechnet vor: „185 000 Euro Verlust pro Monat, 9 000 hätte ich beantragen können, aber am Ende 2020 wieder zurückzahlen müssen. Was nützt mir das?“

Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Publikum: Seit zwei Jahren selbständig im technischen Bereich, greifen die Unterstützungsmaßnahmen für den „Soloselbständigen“ nicht, er stehe mit einem Harz IV-Antrag vor der Insolvenz, da seine privaten Rücklagen gegengerechnet würden, also auch sein Arbeits-Equipment. Sowohl Partsch als auch Dorn zeigen sich spontan gesprächsbereit – die Probleme gehen aber über Einzelfälle hinaus. Welche Maßnahmen machen Sinn? Hier gehen kaum verwunderlich die Meinungen bei den Vertretern von Kulturbereich, Politik und Wissenschaft auseinander.

Warum es in Hessen nicht Soforthilfen für alle gebe mit der Möglichkeit zu privater Nutzung, „denn Künstler müssen leben und Miete zahlen“, fragt Nicolai Friedrich. Dorn begründet ihr Konzept mit der Vorgabe aus Berlin, eine Grundsicherung für Künstler zu schaffen: „Darauf aufbauend habe ich die Arbeitsstipendien gesetzt.“ Die der Harz IV-Empfänger allerdings nicht nutzen konnte, und die zudem gerade auslaufen.

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Kritisiert wird auch die Abstandsregelung: Während in Lokalen längst Lockerungen gelten und Touristenflugzeuge gen Süden starten, habe man im Kulturbereich weiter mit strengsten Auflagen zu kämpfen. Friedrich bezweifelt, dass diese Schieflage („Ein Lobbyismusproblem?“) einer juristischen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhielte.

Die neue Situation erfordert neue Lösungen

Der Kulturveranstalter Schornstein fragt, ob es da mehr um Profilierung mancher Politiker als um Kultur gehe? Das gebe es, räumt Partsch ein, aber sowohl er als auch die Ministerin Dorn geben die Komplexität und Erstmaligkeit der Situation zu bedenken. Sie arbeiteten mit voller Kraft an Lösungen, darunter auch die Finanzierungskonzepte: „Dafür brauchen wir Ihre Ideen“, so Dorn.

Petra Gehring plädiert dafür, die Kulturkonzepte auf den Prüfstand zu schicken. Im Nachdenken etwa über Künstler-Besucher-Konstellationen bestehe dank der Erfahrungen in der Pandemie die Chance, sich von alten Mustern zu lösen. Endlich sei Zeit, über die gesellschaftliche Relevanz der Kultur zu reden, heißt es auch aus dem Publikum.

Die Diskussion belegt: Zwischen der Angst vor dem Wegbrechen der Kultur bei deren Beschäftigten und der Freiheit, über Wandel nachzudenken, ist schwer zu vermitteln. Oberbürgermeister Partsch jedenfalls mahnt mit Verweis auf die letzte Neuansteckung am 19. Mai in Darmstadt: „Das ist die Folge strenger Regeln. Wir müssen auch in der Kultur vorsichtig bleiben“.