Das neue Krimi-Format von und mit Bjarne Mädel besticht durch friesisch herbe Atmosphäre und mit ebensolchem Sprachwitz.
. „Wie lange hast du das denn schon?“ „Was?“ „Na das. Du hast doch was. Was hast du denn?“ „Was hab‘ ich denn?“ „Was ist das denn?“ „Angst. Angst ist das.“ Und dies der bodennah grandiose Dialog zwischen dem neuen Revierleiter Sörensen und der alteingesessenen Kommissarin Jennifer. Zwischen ,du’ und ,Sie’, sowie Vor- und Nachnamen gab es zuvor ein allerliebstes Wortgeplänkel. Wobei ,Geplänkel’ in dem angeschlagenen friesisch herben Ton als purer Euphemismus erscheinen muss.
Die Leute quetschen Kurzformeln („so“, „jo“, „moin“, „nee“) durch die Zähne, weil sie „keinen Bock zu quatschen haben“ – und das war dann ein schon ein ausgesprochen gutes Gespräch. „Sörensen hat Angst“ heißt ein neuer Krimi, angesiedelt im Norden Deutschlands, in ödem, trübem Gebiet um den Ort Katenbüll, wo Sörensen nach zweijähriger Krankheitspause seinen Dienst antritt. Er kotzt auf der Wegstrecke dorthin, und es scheppert in seinem Kopf. Der Mann ist geschädigt und kommt in einen Ort, an dem noch mehr Schaden entstehen wird. Wird er ihm die Stirn bieten können? „So.“ „Jo.“
Bjarne Mädel – eben noch der sich strafbar machende Ermittler in Ferdinand von Schirachs Zweiteiler „Feinde“ – spielt abermals den Polizisten, verschlossen und verstört, hat erneut mit viel Wasser zu tun – nur jetzt kommt es nicht aus dem Schlauch, sondern vom Himmel. Im grauen Katenbüll schüttet es – und unter diesem Regen den Kopf über Wasser zu halten, bedarf des Humors, und zwar eines wunderbar knäckebrottrockenen.
Da hat der Hauptdarsteller mit Autor Sven Stricker nicht nur einen Freund und seit dem gemeinsamen „Sörensen“-Hörspiel auch den adäquaten Drehbuchschreiber nach dessen gleichnamigem Roman gefunden. Der Friese weiß, wie Norddeutschland klingt und der gebürtige Hamburger Mädel ebenfalls. Jedenfalls sind die beiden für einen neuen Krimi-Typus ein ideales Paar – umso mehr, als Bjarne Mädel das Skript auch noch selbst inszeniert hat: „Mit mir als Hauptfigur mach’ ich das doch besser gleich selbst“, wird sich der 52-jährige gedacht haben und stellt später fest: „Es gab keine Klagen der Kollegen.“
Zur Crew gehören immerhin seine „Tatortreiniger“-Kollegin Katrin Wichmann (jetzt wieder Kollegin im Revier), die krimi-erfahrenen Anne Ratte-Polle, Matthias Brandt und Peter Kurth; Leo Meier, Lichtblick als Kommissar-Anwärter, kommt frisch aus der Folkwang-Schule, und Kameramann Kristian Lescher muss dringend mit erwähnt werden: Er ist Sörensens Auge, aus dem wir sehen, was er sieht, so, wie wir auch hören, dass es in seinem Kopf klirrt und dröhnt, wenn ihn die Angst überkommt.
„Na, wie geht’s?“, fragt er den Jungen, dessen Vater gerade erschossen wurde. „Ich mein‘, geht’s irgendwie?“ Pause. „is‘ auch so eine Scheißfrage.“ Murmelmurmel. Aber Sörensen hat ein Gefühl für den Jungen – andere im Dorf hatten mehr als das … Doch die Verbrechen selbst werden nicht bebildert. Auf den Krimi-Plot kommt es dem Film gar nicht so sehr an, sondern auf die Atmosphäre – eine düster dreckige, hässliche und hart gesottene, in der Lakonie und Sarkasmus fröhlich Urständ’ feiern können.
Nicht nur sprachlich, auch in den Bildern, wenn etwa Trinker Frieder (Matthias Brandt) als Verdächtiger im Regen sitzt und seine nackten Beine „in Unschuld“ wäscht. Brandt scheint übrigens ziemlich viel Spaß am Schmutz seiner Rolle zu haben. Und Bjarne Mädel selbst kann vom verdruckst Komödiantischen gar nicht genug bekommen – ein Vegetarier, kurz vorm Veganen, recherchiert in der Fleischfabrik und erörtert die Frage: Ist Fisch auch Fleisch?
So köstlich die gezielten Anti-Film-Sätze, so verhalten die Verbrecherjagd an Sörensens erstem Diensttag, so schnell dann aber doch auch die Aufklärung mit einer spektakulär ironischen Falllösung. Da muss Sörensen gar nicht mehr selbst eingreifen. „Bleibst du?“ „Irgendwo muss man ja sein“ – und wenn der Vegetarier in Katenbüll auch Bartkartoffeln nur mit Speck bekommt. „Sonst schmecken sie ja nicht.“ Man hätte gern noch mehr Portionen von diesem wortkargen, verqueren und doch so sensiblen Sörensen, ganz ohne Vornamen.