Wenn das Gießener Stadttheater im eigenen Garten steht

Christa Schlicht-Schnetter freut sich über die Ankunft der Musiker, deren Gastspiel sie im Ostergewinnspiel des Theaters gewonnen hatte. Die Musiker stehen auf dem Gehweg: Johannes Osswald, Martin Gierden (Trompete), Kurt Förster, Alexander Ries (Posaune), die Nachbarn lauschen von der anderen Seite der Straße. Fotos: Schultz/Stadttheater Gießen

Künstler des Gießener Stadttheaters lösten die beim Ostergewinnspiel verlosten Engagements ein. Daher erklang starker Beifall im Garten, während sich auf der anderen...

Anzeige

GIESSEN. GIESSEN. Ostern ist schon lange vorbei, doch Christa Schlicht-Schnetter aus Petersweiher konnte sich jetzt noch einmal darüber freuen. Sie hatte im Ostergewinnspiel des Stadttheaters ein Gastspiel von vier Orchestermusikern gewonnen. Die kamen am Montag vorbei und zahlten gleichsam den Gewinn aus. Die Gewinnerin und ihre Gäste waren schwer begeistert, die Musiker übrigens ebenso. Johannes Osswald und Martin Gierden (Trompete) und Kurt Förster und Alexander Ries (Posaune, gemeinsam das Ensemble „Vierkantblech“) freuten sich aus sicherem Abstand ganz außerordentlich, dass sie nach monatelanger Pause mal wieder ein richtiges Konzert für ein richtiges Publikum spielen durften, und das sah man ihnen auch an. Den Zuhörern, allesamt korrekt maskiert, sah man eigentlich nichts an. Sie saßen gut platziert im Grünen bei Familie Schlicht-Schnetter und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Und es waren wirklich sehr schöne Dinge, das Ensemble hatte attraktive Titel herausgesucht. Man eröffnete mit Chris Hazells Suite „Pops for four“ in vier Sätzen.

Christa Schlicht-Schnetter freut sich über die Ankunft der Musiker, deren Gastspiel sie im Ostergewinnspiel des Theaters gewonnen hatte. Die Musiker stehen auf dem Gehweg: Johannes Osswald, Martin Gierden (Trompete), Kurt Förster, Alexander Ries (Posaune), die Nachbarn lauschen von der anderen Seite der Straße. Fotos: Schultz/Stadttheater Gießen
Eine Tanzvorführung durfte Antje Bayer in ihrem Garten in Heuchelheim erleben: Marine Henry und Madeleine Salhany tanzten „Fo(u)r years” von Tarek Assam, Marine Henry und Emma Jane Howley zu der Musik von Timo Reuber.

Das war zunächst mal einfach flott und fröhlich, um im zweiten Satz ruhig, ja getragen abzulaufen. Der Dritte war klar strukturiert, dabei sehr ruhig, fast andächtig. Hier konnten die perfekt aufeinander eingespielten Profis eine wunderbare Geschlossenheit demonstrieren, die die Musik definitiv aus einem Guss klingen ließ, dazu ein Topabschluss – so muss es sein.

„Wie lange haben Sie denn alle keine Livemusik mehr gehört?“, wollte Alexander Schmidt–Ries wissen. Die Zuhörer überlegten ziemlich lange, nicht alle hatten die lange musiklose Zeit schon in Monate gefasst. Man war sich aber einig, dass es viel zu lange gewesen war. Die Konzentration des Publikums ließ denn auch zumeist nichts zu wünschen übrig, man wusste die Gelegenheit offensichtlich zu schätzen. Der letzte Satz „Stepping out“ setzte dieser Sache dann die Krone auf. Mitreißend fröhlich und überaus abwechslungsreich flitzte der Titel nur so durch die Luft, ein echter Hörgenuss. Der Vorteil des Freiluftmusizierens und der großen Nähe zum Publikum, die absolute Sauberkeit des Klangs, streichelte das ästhetische Empfinden, während die herausragende Geschlossenheit für exzellente Transparenz sorgt. Starker Beifall erklang im Garten, während sich auf der anderen Straßenseite ein paar Nachbarn und Passanten zusammengefunden hatten, um an dem Vergnügen aus einer etwas größeren Distanz teilzuhaben. Ab und zu fuhr ein Auto mit gemächlichen 30 Kilometern pro Stunde vorbei, das störte irgendwie gar nicht.

Anzeige

Ob man denn im Osterquiz alles richtig geraten habe, fragte Schmidt-Ries nach. Man hatte, es war etwa der Begriff „Cembasso“ zu erraten gewesen, eine Abart des Cembalo. Viele Anwesende nickten, man kannte sich aus. Dann hörte man noch drei Stücke aus einer Suite von Jean François Michel, die drei Spirituals enthielt: „Go down Moses“, „Nobody knows the trouble I’ve seen“ und „When the saints“.

Den ersten Titel musizierten die Kantbleche etwas rhythmisiert, elegant und mit strahlendem Schmelz, ein Hörgenuss. Schön sanft melancholisch und bluesig. Ein Auto fuhr gemächlich die Straße entlang, aber das störte gar nicht: Es herrschte Einklang. Den Klassiker „When the saints“ starteten die Gäste augenzwinkernd mit der Eurovisionsmelodie, um dann mit einem leicht verzickten Timing fortzufahren. Der absolute Höhepunkt, vermutlich auch für die Musiker, war der Marsch „Am Kolsassberg“, ein Traditional. Der brachte noch einmal das Beste im Quartett heraus. Man begann sanft zuckig, um dann die idealtypische Komposition wesentlichster Marschelemente zu einem fabelhaft glänzenden Höhepunkt zu verdichten – da zuckte jeder Fuß; Riesenbeifall.

Einen weiteren Gewinn löste vergangenen Mittwoch die Tanzcompagnie in Heuchelheim ein. Da performten Marine Henry und Madeleine Salhany „Fo(u)r years” von Tarek Assam, Marine Henry und Emma Jane Howley zu der Musik von Timo Reuber. Antje Bayer war die Glückliche. Und das Schauspiel zeigte letzten Freitag für Sibylle Powell eine etwa 20-minütige Sammlung von Ausschnitten aus „Alte Liebe“ nach dem Roman von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder, mit Roman Kurtz und Carolin Weber, auch in Heuchelheim. Die Gewinner hatten dafür extra eine kleine Bühne im Garten aufgebaut. Man wäre sehr gern dabei gewesen, um diese künstlerischen Kammerstückchen mit zu genießen.

Christa Schlicht-Schnetter und ihr Mann waren jedenfalls in Pohlheim hochzufrieden mit ihrem Gewinn. Zum Mitgenießen hatten sie ein paar Nachbarn und Freunde eingeladen, man saß auf anständigen Stühlen, ein leises Lüftchen ließ keine Hitze aufkommen, und hinterher gab es ein Schlückchen und kleine Snacks. Wie es aussieht, lag also auf dem ganzen Unterfangen ein Segen.