Werke von Frank Walter in Frankfurt zu sehen

„King Size Soul“ nennt Frank Walter dieses Werk, das auch in der Ausstellung in Frankfurt zu sehen ist. Foto: Axel Schneider
© Axel Schneider

Das Museum für Moderne Kunst entdeckt den Maler aus Antigua und widmet ihm eine Retrospektive.

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FRANKFURT. Was wäre aus Frank Walter geworden, wenn er ein Weißer gewesen und in Deutschland aufgewachsen wäre, wie seine Vorfahren väterlicherseits? Mit dieser Frage haderte der Künstler sein Leben lang. Er war intelligent, hatte sieben Sprachen gelernt und wurde schon 1948 der erste dunkelhäutige Plantagenmanager in seiner Heimat Antigua, die damals britische Kolonie war. Doch Frank Walter (1926-2009) litt unter seiner Hautfarbe auf der Antillen-Insel in der Karibik, er erlebte auch den Rassismus in Europa und hatte bald Halluzinationen.

Nur in der Kunst fühlte sich der Autodidakt frei von allen Zwängen. Doch der Ruhm zu Lebzeiten blieb aus. Zahllose Briefe schrieb er an Ausstellungsmacher in aller Welt, aber ohne Erfolg. Nur ein paar Touristen kauften seine kleinen Bilder – die passten in die Koffer und ins exotische Klischee. Erst vor drei Jahren, auf der Biennale in Venedig, war Walters vielschichtiges Werk im Pavillon von Antigua zu sehen. Doch die Schau wurde nur von wenigen registriert. Darunter war aber Susanne Pfeffer, die Chefin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst (MMK), die nun ihr Haus frei geräumt hat für Walter. Über alle Etagen verteilte sie 400 Werke von mehr als 5000 erhaltenen Gemälden, Skulpturen, Fotos, Schriften und Musikstücken. Ein Multitalent also, das kaum auf einen Nenner zu bringen ist in seiner ersten großen Retrospektive.

Was ihn eigentlich umtrieb, zeigen auch Werke von zwölf Künstlerkollegen aus allen Generationen. Schwierig macht es freilich Walters laxer Umgang mit seiner Kunst, da er selten datierte. So sind die kosmologischen und abstrakten Bilder vage in frühe Phasen, die figurativen Bilder und Landschaften in späte Phasen einzuordnen. Aber womöglich ist diese Zuordnung gar nicht so wichtig für das Verständnis seiner Kunst.

Man mag darüber spekulieren, dass Walter als junger Mann die Milchstraße in bemerkenswerten Bildern malte, als gesetzter Mann eher unscheinbare Alltagsszenen festhielt – als sei er himmelhoch jauchzend gestartet, um sich dann doch an seinem irdischen Leben zu reiben. Aber auch diese Bilder haben ihren Reiz. Mal hielt Walter das Arbeiten auf einer Plantage fest, mal zeigte er eine Frau mit Baby auf dem Arm beim Einkaufen. Und immer wieder malte er sich selbst, oft auch als weißen Mann.

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Nah an der Karikatur

Viele Porträts sind witzig, sie betonen Eigenheiten der Personen und sind nah an der Karikatur. Walter postierte sogar einen Menschen als Rückenfigur vor die Meeresbrandung, wie Caspar David Friedrich. Frank Walter hatte ein Gespür für Farben, umrandete gern Figuren oder Gegenstände in Schwarz. So leuchteten die anderen Farben viel stärker. Walter war ein Poet der Farben, Formen und Figuren. 1953 ging er nach Europa, um die moderne Landwirtschaft zu studieren. In Deutschland arbeitete er 1957/58, wie in der Schau seine Lohnkarte des Essener Steinkohlebergwerks verrät. In der Heimat seiner Vorfahren fühlte er sich wohl. Als er 1961 von Großbritannien nach Antigua zurückkehrte, lag schon die Plantagenwirtschaft darnieder, der Tourismus blühte auf. So betrieb er fortan ein Fotostudio, in dem er auch seine selbst gebastelten Spielzeuge verkaufte.

Wie sich Walter all die Jahre gefühlt hat, zeigt am besten das zwölfminütige Video der 77-jährigen Howardena Pindell. Sie schildert die rassistischen Übergriffe, die sie seit ihrer Kindheit erlebt hat. Ja, sie nimmt sogar die Rolle einer weißen Frau an, die diese Erfahrungen nicht nachvollziehen kann oder will. So deprimiert muss auch Frank Walter gewesen sein. Erst elf Jahre nach seinem Tod widerfährt ihm nun Gerechtigkeit.