"Die Meinungsmaschine" von Petra Gerster und Christian Nürnberger

Proteste gegen die angebliche Lügenpresse, hier bei einer Demonstration in Mecklenburg-Vorpommern: Für Petra Gerster und Christian Nürnberger sind sie das "Geschrei einer lautstarken Minderheit". Archivfoto: dpa

Echte Maschinenräume sind laut und schmutzig. In ihnen wird die Arbeit gemacht, das Schiff angetrieben - sinkt es, ist dort die Verlustrate am höchsten. Spannend, dass sich...

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. Echte Maschinenräume sind laut und schmutzig. In ihnen wird die Arbeit gemacht, das Schiff angetrieben - sinkt es, ist dort die Verlustrate am höchsten. Spannend, dass sich das Journalisten-Paar Petra Gerster und Christian Nürnberger, der auch Autor dieser Zeitung ist, den Maschinenraum als Metapher für ein Buch über den Journalismus gewählt haben.

Das rund 380 Seiten starke Werk "Die Meinungsmaschine" ist eine Mischung aus einer Streitschrift, die den deutschen Journalismus verteidigt - und einem Sachbuch, das ihn erklärt. "Die Meinungsmaschine" krankt daran, dass sich Gerster und Nürnberger nicht so recht entscheiden können, was es sein soll. Dabei liefern die beiden durchaus lesenswerte Geschichten und spannendes Zahlenmaterial.

Schlechtes Bild von den sozialen Netzwerken

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Der Ausgangspunkt des Paares ist die Vertrauenskrise, in der die Medien stehen. Ihren Ausdruck findet diese Krise in dem Vorwurf, die Medien seien eine "Lügenpresse" oder eine "Lückenpresse". Dieser stammt aus dem Umfeld von Pegida und AfD - und wird in den sozialen Netzwerken weit verbreitet.

Von den Netzwerken haben die beiden Autoren ein schlechtes Bild, was sie schon früh in "Die Meinungsmaschine" deutlich machen: "Das meiste dessen, was im Netz veröffentlicht wird, ist leeres Stroh und Geschwätz." Die Kritik an Medien tun sie ab als "das Geschrei einer lautstarken Minderheit".

So nehmen sie dem Leser die Lust auf den Teil des Buches, der eine Streitschrift ist. Wo der freie Autor und die ZDF-Nachrichtenfrau in der Debatte stehen, ist all zu erwartbar. Zumal sich die beiden im Text mitunter in Widersprüche verwickeln.

Zum Beispiel erzählen sie die Geschichte des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender, der 2010 von den Unions-Ministerpräsidenten Roland Koch und Edmund Stoiber abgesägt worden ist. Das Fazit von Gerster und Nürnberger: "Damit war Brender zwar seinen Posten los, aber das ZDF hat er maßgeblich vom Einfluss der Politik befreit, denn durch die öffentliche Debatte über den skandalträchtigen Eingriff von Koch und Stoiber kam diese Herrschaft ins Wanken." Einen Beleg dafür, dass diese beendet ist, bleiben sie schuldig. Wobei eine "ins Wanken" geratene Herrschaft immer noch fortbestünde.

Widersprüchlich ist das Autorenpaar auch in dem Kapitel "Haben die deutschen Medien eine rot-grüne Schlagseite?" Sie stellen Statistiken vor, nach denen tatsächlich deutlich mehr Journalisten privat zu Rot-Grün als zu Schwarz-Gelb tendieren. Dann führen sie aber an, dass die CDU ja die deutlich besseren Wahlergebnisse hatte. Was für die Autoren zum Schluss führt, dass es den Journalisten gelinge, ihre eigenen Vorlieben aus der Berichterstattung heraus zu halten. Den durchaus möglichen Schluss, dass auch die Bindekraft von Medien nachgelassen haben könnte, thematisieren die beiden nicht.

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Lesenswert sind Gerster und Nürnberger, wenn sie Fachfremden den Journalismus erklären. Gut geschrieben ist etwa das Kapitel "Wer die Maschine bedient". Anschaulich führen die beiden vor Augen, wie eine Nachricht entsteht: von der Pressemitteilung, über die Nachrichtenagentur bis hin zur Umsetzung in Zeitungen oder Fernsehen.

Spannend ist etwa die Anekdote zur Berichterstattung über Missbrauch an der reformpädagogischen Odenwaldschule. Dieser war von der Frankfurter Rundschau aufgedeckt worden - ohne dass dies zu großen öffentlichen Reaktionen geführt hätte. Zehn Jahre später, als der Missbrauch an katholischen Internaten bekannt wurde, erhielt dann auch die Geschichte von der Odenwaldschule ein Medienecho.

Gerster und Nürnberger können den Mechanismus plausibel machen, der dazu geführt hat. Und sie erklären nachvollziehbar, wie dieser Mechanismus funktioniert - und leisten Verschwörungstheorien dann doch gelungene Gegenwehr. Um im Bild zu bleiben: Das Schiff Journalismus ist noch seetüchtig.

Von Mario Thurnes