Gefangen in der Indizienfalle: John Grisham hat erneut einen packenden Justizthriller geschrieben.
. John Grisham ist ein Phänomen. Seit gut 30 Jahren veröffentlich der frühere Anwalt mit schöner Regelmäßigkeit Romane, die die Bestsellerlisten stürmen. Immer wieder im Mittelpunkt steht darin das amerikanische Justizsystem mit seinen Unzulänglichkeiten.
In seinem neuen Roman nimmt sich der US-Schriftsteller ein besonders kontroverses Thema vor: Das Drama von Menschen, die unschuldig in der Todeszelle sitzen und denen das Justizsystem nie eine gerechte Chance gegeben hat. Im Mittelpunkt steht Cullen Post, ein ehemaliger Anwalt, der nach einer Lebenskrise Geistlicher wurde und sich schließlich bei den „Wächtern“ engagierte. Diese kleine, durch Spenden finanzierte Organisation nimmt sich Fällen von Menschen an, die in der Todeszelle sitzen, von deren Unschuld die Gruppe aber überzeugt ist. Grisham rückt einen Fall ins Zentrum: Quincy Miller wurde vor 22 Jahren von einem Gericht in Florida zum Tode verurteilt, weil er einen Anwalt in dessen Kanzlei erschossen haben soll.
Post macht sich voller Elan daran, dem Mann zu helfen. Immer im Mittelpunkt steht dabei der Versuch, Gründe für einen neuen Prozess zu finden. Dabei geht es aus juristischen Gründen immer nur um die Unschuld des Verurteilten, nicht darum, wer der wirkliche Täter war. Aber natürlich steht diese Frage immer im Raum, als sich Post in den Fall hineinarbeitet, Zeugenaussagen hinterfragt und die alten Dokumente auf Lücken untersucht. Dabei stößt er auf Abgründe im Justizsystem, die schlimmer sind als alles, was er vorher gekannt hatte. Die mittelamerikanische Drogenmafia scheint den gesamten Staat Florida unterwandert zu haben und zu allem fähig zu sein, um diese Machtposition zu behaupten. Hinzu kommt, dass Gerichte und Polizei zutiefst rassistisch geprägt sind.
Bald ahnt Post, in welche Gefahr er sich selbst bringen könnte, wenn er nachweist, dass Quincy Millers Todesurteil falsch war. Ein Gerichtsgutachter fasst zusammen, was den Kern des Romans bildet: „Ein spektakulärer Mord, dazu der perfekte Verdächtige mitsamt Motiv, eine raffiniert inszenierte Indizienfalle. Quincy entrinnt nur mit knapper Not der Todesstrafe und muss für den Rest seines Lebens hinter Gitter.“
John Grisham ist dafür bekannt, in seinen Romanen dramatische Gerichtsverhandlungen äußerst effektvoll einzusetzen. Auch „Die Wächter“ läuft auf eine solche Verhandlung als Höhepunkt hinaus. Hier zeigt sich Grisham wieder in erzählerischer Bestform: ein herausragender Justizthriller, der sich mit seinen Klassikern wie „Die Jury“ und „Die Kammer“ messen lassen kann.
Von Axel Knönagel