Kristof Magnussons neuer Roman „Ein Mann der Kunst“ spielt rund um einen Kauz auf einer Burg im Rheingau – ein heiteres Lob des Bildungsbürgers.
. „Ich finde die Komposition so schön aus dem Fluss, der Landschaft, den Dörfern am Rhein“: Darum hat Kristof Magnusson den Rheingau als Schauplatz für seinen neuen Roman „Ein Mann der Kunst“ gewählt. Im Online-Chat des Fördervereins Literaturhaus Wiesbaden hat der Autor von Theaterstücken („Männerhort“) und Romanen („Das war ich nicht“) , zudem Übersetzer und Wiesbadener Poetikdozent 2016/17, über das Buch Auskunft gegeben. Denn neben seinem ruhmreichen, aber menschenscheuen „Malerfürsten“ spielt ein Förderverein eine wichtige Rolle, der den Rheingau besucht, um den Künstler-Eremiten heimzusuchen. Der weltweit renommierte Meister KD Pratz – in der Buch-Realität das Gegenteil von Protz – soll für ein zu gründendes Museum gewonnen werden. Das geht im ersten Anlauf so gründlich schief, wie pointensicher der Autor seine Figuren vom Museumsdirektor bis hin zur Vereinsvorsitzenden in ihrem eifrigen Bemühen um die Kunst wunderbar ironisch darstellt. „Mir war es besonders wichtig, die Figuren mit all ihren Schrullen humorvoll zu zeichnen, aber gleichzeitig nicht parodistisch in die Pfanne zu hauen.“
Der alte weiße Mann KD Pratz gerät an eine pensionierte, aber noch immer emanzipierte Psychotherapeutin als Vereinsvorsitzende, während ein gebildeter wie auch sehr beflissener Museumsdirektor den Deal so voreilig wie vergeblich schon in der Tasche zu haben meint. Das ist in Charakterisierung und Dialog schon große Erzählkunst in schlafwandlerischer Balance zwischen Realismus und Persiflage. Realität kann freilich Fantasie bisweilen auch einholen: Als Magnusson die Burgruine Ehrenfels über Rüdesheim als Künstlerheim und Atelier literarisch als Burg Ernsteck wiederaufbaut, hat er gar nicht gewusst, dass es tatsächlich einen Maler namens Ernst Eck gab. „Rückwirkend ist das eine superkluge Anspielung geworden, war aber Zufall.“ Genauso offen gibt der Autor zu, dass die kulturpessimistische Bemerkung seiner Hauptfigur, in letzter Minute ins Buch eingefügt wurde: „Und wenn dann mal wieder eine große Epidemie kommt – gute Nacht“, heißt es da. „Die Kontaktsperre fiel ja genau mit der Zeit zusammen, in der ich eh nicht aus dem Haus gekonnt hätte, weil ich den Roman fertigschreiben musste.“ Und Magnusson ist kein Zyniker, wenn er der Corona-bedingten Einschränkung für sich selbst auch Positives abgewinnt: „Plötzlich kann man überall mit Karte bezahlen, und die Leute drängeln nicht mehr so.“
Die Leute seines Fördervereins allerdings bedrängen den begehrten Mann der Kunst auf seiner Burg massiv. Allein der Ich-Erzähler hält vertrauensvollen Kontakt. Und KD Pratz wiederum klärt die Vereinsmitglieder auf über einen Kunstbegriff im Gegensatz zu Fanverehrung oder gewinnträchtiger Investition. Magnussons Kritik an den Gepflogenheiten im gängigen Kunstbetrieb gipfelt in einer ungeheuer witzigen Kunstdemontage, als die Freunde der Kunst die Objekte ihrer Begierde einem Ort zuführen, der alles ins Fließen bringt – zum Rhein. Samtpfötig kunstvoll wird hier Kritik geübt an Kunsthuberei und ihrer Entourage mit „Bildungsbürgerbespaßung“ am Feierabend. Ja, natürlich sei auch das Schreiben Bildungsbürgerbespaßung, stimmt Magnusson zu – aber: „Wo wären wir ohne Bildungsbürger! Ich bin ja selbst einer.“ Und zum gelinden Choas in Fördervereinen, wie im Buch für die bildenden Kunst oder einem realen für die Literatur, kommentiert er: „Eigentlich ist es doch ein tolles Milieu, diese ganzen Leute, sie sich so ernsthaft für Kultur interessieren.“ Für uns also hat Magnusson sein Buch geschrieben – mit hohem Wiedererkennungswert.