Mit seinem neuesten Buch, einem autobiografischen Roman, hat der aus Wiesbaden stammende Autor es wieder auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft.
WIESBADEN. Einmal hat er den Deutschen Buchpreis bereits verliehen bekommen. In der kommenden Woche wird sich herausstellen, ob der aus Wiesbaden stammende Autor Frank Witzel auch in diesem Jahr in die engere Auswahl kommt. Auf die Longlist hat es sein Roman „Inniger Schiffbruch“ schon geschafft. Obwohl dieser bereits Anfang des Jahres erschienen ist, handelt es sich bei der nun im Kulturforum ausgerichteten Veranstaltung des Literaturhauses Villa Clementine pandemiebedingt erst um die zweite Lesung des Autors daraus.
Den Nachlass der Eltern aufgearbeitet
Moderiert wird der Abend von der Journalistin Shirin Sojitrawalla, die dafür sorgt, dass das Publikum aufschlussreiche Hintergründe zu dem Buch erhält. So möchte sie von Frank Witzel wissen, warum es die Bezeichnung Roman erhalten habe, obwohl darin doch ganz offensichtlich die Familiengeschichte des Autors verarbeitet worden ist. „Ich empfinde es so, weil ich bewusst eine Auswahl treffe. Ich habe zwar keine Zuschreibungen, aber Abstriche gemacht“, verdeutlicht Frank Witzel. Tatsächlich sei der Ich-Erzähler sehr nah an ihm selbst angelegt. Ein ausgesprochen persönliches Buch ist es aber auch, weil es entstanden ist, nachdem der Mitt-Sechziger den Nachlass seiner Eltern aufgearbeitet hatte. Eine besondere Überraschung seien dabei die Tagebücher gewesen, die Vater Carl als Jugendlicher in den Jahren unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs verfasst hatte. „Was mir da entgegengetreten ist, war viel alltäglicher, als ich es mir je hätte vorstellen können“, bekennt Frank Witzel. Erst im Jahr 2017 hatte er einen Roman veröffentlicht, der in der unmittelbaren Nachkriegszeit angesiedelt ist.
Während es aus dem Leben seines Vaters eine Vielzahl an Aufzeichnungen gegeben habe, fehlten persönliche Überlieferungen seiner Mutter, die von ihrer Kindheit nicht einmal erzählt habe. Da sich der Autor mit ihrem Schweigen nicht habe zufriedengeben wollen, habe er die Lücken im Leben seiner Eltern mit Literatur gefüllt. So wie er in Ingeborg Bachmanns Kriegstagebuch Parallelen zum Leben seiner Mutter gefunden habe, so treffe dies bei Thomas Bernhards Erzählung „Ein Kind“ auf das Leben von Carl Witzel zu. Obwohl der Autor also erneut verschiedene Erzählformen zu einem Buch vereint, kann er sich mit dem Begriff Collage nicht anfreunden. „Es ist mir immer wichtig, dass es Übergänge gibt“, betont Frank Witzel. Was er damit meint, wird bei der Lesung einer Passage deutlich, in der seine eigenen Kindheitserinnerungen, Tagebucheinträge seines Vaters und Passagen von Thomas Bernhard dicht miteinander verwoben sind. Die Schilderung eines Spaziergangs durch seinen Heimatort Biebrich wiederum erfolgt ohne Wehmut, dafür mit großer Lust am Entdecken. Bis ins Detail gibt Frank Witzel in seinem jüngsten Buch nicht nur Einblicke in die Geschichte seiner Familie, sondern auch in die seiner Heimatstadt.