Tschüss, Corona-Sprech

Murtaza Akbar ist Vortragsredner und Trainer zum Thema Sprache und Kommunikation. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist Geschäftsführer der Agentur Wortwahl und Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang  Onlinekommunikation.

Unser „Sprach-Optimist“ Murtaza Akbar wundert sich über die Kommunikation in Pandemie-Zeiten.

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. Finden Sie die Wissenschaftler auch so klasse? Ob Virologe, Immunologe, Epidemiologe oder Pneumologe, ohne die wären wir so was von aufgeschmissen. Dann würden die Politiker immer noch nicht wissen, ob sie von Ausgangssperre, Kontaktsperre, Kontaktreduzierung oder von Kontaktminimierung sprechen sollen. Ich nehme die Pandemie oder Epidemie, ganz wie Sie wollen, sehr ernst. Aber durchseuchen möchte ich mich dennoch nicht lassen, egal ob Herden- oder Bevölkerungsimmunität gewünscht ist. Physische Distanz wahre ich, oh ja, soziale Distanz nicht. Wäre ja noch schöner. Obwohl das meiner Frau manchmal ganz recht wäre. Ihr reicht auch eine Maske, wenn sie unterwegs ist. Ich bin dagegen scharf auf so eine Spuckschutzscheibe für an den Kopf zu machen, wenn das Wort nur nicht so, na ja Sie wissen schon, wäre. Meine Corona-Frisur bin ich jedenfalls losgeworden. Bei der Friseurin war ich mit meinem Teenager-Sohn. Der war sowas von froh über diese Lockerung. Vorher war er nämlich gar nicht mehr so locker beim Blick in den Spiegel. Für ihn sind Friseure voll systemrelevant. Lehrer sind es dagegen für ihn nicht so sehr. Dennoch ist er froh, dass er noch ein paar Jahre zur Schule gehen darf, denn auf ein Corona-Abitur hätte er keinen Bock gehabt. Ich dagegen würde meine Corona-Kilos gerne abtrainieren. Klingt nach einer Alibi-Aussage, oder? Stimmt. Hätte ich ja auch schon längst machen können, ich war ja nicht in Quarantäne. Mit der Aussprache dieses Wortes haben Menschen hierzulande übrigens immer noch Probleme. „Qu“ wie „K“ betonen, dann passt es. Gilt übrigens auch für Corona-Skeptiker, Verschwörungstheoretiker oder Leute, die an „Hygiene“-Demos teilnehmen. Die sind oftmals für eine Öffnungsdiskussionsorgie offen, für eine Grenzöffnung dagegen nicht. Mehr Platz will ich denen deshalb gar nicht erst einräumen. Ich bin zwar amtlich geprüfter Sprach-Optimist, dennoch nicht immer ganz sattelfest. Denn wissen Sie, was ich immer geglaubt habe, ja sogar felsenfest davon überzeugt war? Dass es der Virus heißt. Jetzt erfahre ich, es geht beides: der oder das Virus. Aber alle sagen das Coronavirus. Und warum wird es nicht gekoppelt, also Corona-Virus? Aber ich bin kein Lektor oder so ein Krümelmensch. Von mir aus geht beides. Beim Homeoffice oder Home-Schooling ist es ja auch schwierig. Okay, das sind Anglizismen, aber benutzt doch jeder. Sie sicher auch. Genauso wie Maßnahmen. Bei dem Wort werde ich allerdings ganz wuschig, weil das so bürokratisch schwammig klingt. Wo wir bei englischen Begriffen sind. Kannte jemand von Ihnen Lockdown oder Shutdown vorher? Nee, oder? Für uns klingt das nicht schön, aber ich habe Engländer gefragt. Für die sind das richtig angsteinflößende und beklemmende Worte. Deshalb schnell weg davon. Davon will ich mich distanzieren. Genauso wie von Verschwörungstheoretikern. Ja, das hatte ich schon gesagt, aber ich mag die Musik von Xavier Naidoo so. Was soll ich jetzt machen? Dann gucke ich mir stattdessen halt Geisterspiele an. Hat für mich eine doppeldeutige Bedeutung, denn unsere Eintracht aus Frankfurt spielt gerade wie eine Geistermannschaft, was die Ergebnisse anbetrifft jedenfalls. Die halten die 1,50 Meter Abstandsregel in meinen Augen auf dem Feld zu oft ein. Ich schweife ab. Fußball halt. So jetzt ist das Corona-Glossar fertig. Ja, da fehlt sicher noch das eine oder andere Wort. Aber brauchen wir das wirklich? Ich hoffe für uns alle, dass wir viele Begriffe davon in naher Zukunft einmotten können. Das wäre doch schön. Und dann machen wir nur noch nostalgische Wortspiele dazu. Etwa: Treffen sich ein Virologe, Immunologe, Epidemiologe und Pneumologe, um sich zu streiten…