Eine Reihe von Künstlern musiziert vor Darmstädter Seniorenheimen. Möglich macht es die Frankfurter Initiative "Live Music Now".
DARMSTADT. Mozarts "Kleine Nachtmusik" erfüllt den Eingangsbereich vor dem Seniorenzentrum Mathildenhöhe. Die Bewohner haben sich draußen auf den Bänken, an den Fenstern oder hoch oben auf der Terrasse eingefunden, um dem Ständchen zu lauschen, das ihnen von "Klarimädels"-Trio, bestehend aus den Klarinettistinnen Naama Caspo-Goldstein und Laia Haro Catalan sowie der Flötistin Claudia Warth, gebracht wird. Die jungen Musikerinnen sind Stipendiatinnen von "Live Music Now" Frankfurt. Diese Initiative will Musik aus den Konzertsälen an jene Orte holen, an denen sie sonst nicht erklingt. Nach der Devise seines Gründers Yehudi Menuhin "Musik heilt, Musik tröstet und Musik macht Freude" will der Verein klassische Musik den Menschen näherbringen, die aufgrund ihrer Lebenssituation nicht selbstständig Konzert besuchen können. Seit der Gründung von "Live Music Now" 1977 in London organisieren zahlreiche Ableger des Vereins in England, Deutschland, Österreich und der Schweiz eintrittsfreie Konzerte in Altenheimen, Hospizen, Krankenhäusern, Behindertenstätten, Gefängnissen oder Flüchtlingsheimen.
Studenten spielen für Bewohner
Seit 1996 gibt es diese Initiative auch in Frankfurt. Annette Fautz koordiniert die Auftritte der Künstler von Live Music Now im Seniorenzentrum Mathildenhöhe des Agaplesion Elisabethenstifts. Mehrmals im Jahr spielen die Stipendiaten des Vereins für die Bewohner. Die jungen Künstler kommen von der Frankfurter Musikhochschule. "Für die jungen Musiker ist es eine gute Möglichkeit, Auftrittserfahrungen vor Publikum zu sammeln", erklärt Fautz. Live Music Now zahlt den Nachwuchsmusikern eine Gage, für die sozialen Einrichtungen ist der Auftritt kostenlos.
Mit Beethovens Variationen über "La ci darem la mano" oder dem "Frühling" aus Vivaldis Vier Jahreszeiten sowie mit der nötigen Prise Swing gewürzten Werke aus der Feder von Scott Joplin hat das Klarimädels-Trio ein abwechslungsreiches Programm im Gepäck, das den Zuhörern sichtlich Freude bereitete. Damit alle die Darbietung miterleben konnten, zogen die Musikerinnen nach 15 Minuten von Haupteingang um in den Hof neben der Stiftskirche und wechselten abschließend in den Eingangsbereich gegenüber dem Krankenhaus.
Konzertsuche via Nachbarschaftsportal
Ein ähnliches Konzert gab auch vor dem Agaplesion Heimathaus in der Freiligrathstraße. "Auf den Kontakt zu Angehörigen, Freunden und Bezugspersonen verzichten zu müssen, ist mit Sicherheit nicht leicht", erklärt Heinrich Wünsche, Beauftragter für die Quartiersarbeit in Bessungen. Um Abwechslung in den Alltag der Bewohner zu bekommen, hat er mit seinem Team einen Aufruf dem Nachbarschaftshilfeportal nebenan.de gestartet. Gesucht wurden Menschen, die vor den Fenstern des Heimathauses musizieren möchten. Die Resonanz war durchweg positiv. Wünsche erhielt genügend Angebote, um für die Senioren ein kleines "Musikfestival" organisieren zu können. A-Cappella-Lieder stehen demnächst auf dem Programm, außerdem wird der Darmstädter Pianist Uli Partheil einen Beitrag beisteuern. Zeitgleich boten die Matthäusgemeinde, der Schaustellerverband und die Deutsche Philharmonie Merck ihre Mitwirkung an. Unter Einhaltung der Abstandsregeln bestritten Bläser und Trompeten der Matthäusgemeinde am 17. April die Premiere. Ein klassisches Ständchen auf der Geige und Oboe brachten in der Woche darauf Christiane Dierk und Anette Hampel vom Staatsorchester Darmstadt.
Vergangene Woche gastieren zwei Stimmführerinnen der Deutschen Philharmonie Merck vor dem Heimathaus. Flötistin Veronika Fuchs und Oboistin Beate Hofmann lieferten sich in berühmten Arien aus Mozarts "Zauberflöte" einen Wettstreit instrumentalen Schöngesangs. Und die Windböen, die immer wieder die Notenblätter wegbliesen, hatten auch eine gute Folge: Sie wehten die Melodien durch die geöffneten Fenster in alle Räume des Hauses.