Furiose Fortsetzung des Darmstädter Orgelsommers. Kantor Matthias Grünert von der Dresdner Frauenkirche macht mit zwei Trompetern gemeinsame Sache.
DARMSTADT. Töne sind flüchtige Gestalten – unsichtbar, kurzlebig, ohne materielle Substanz. Wer am Mittwoch beim Internationalen Orgelsommer in der Pauluskirche die furiose Interpretation des renommierten Frauenkirchenkantors Matthias Grünert von Bachs „Piece d’orgue“ erlebte, konnte jedoch einen anderen Eindruck gewinnen: Im zweiten Teil des berühmten Orgelwerkes schienen sich die Akkorde zu zentnerschweren Blöcken zu verdichten. Der fünfstimmige Satz, der auf den lichten, in hochvirtuosem Tempo vorgetragenen ersten Teil folgte, entfaltete eine bebende Wucht: Die Akkorde türmten sich auf wie eine massive, ins Riesenhafte tendierende Burg. Ehe das Werk nach dramatischen Abstürzen im dritten Teil in triumphalem G-Dur mündete, durchlief es gewagte Modulationen, die der Organist wirkungsvoll auskostete.
Es war eine außergewöhnliche Vorführung, die der Dresdner Kantor während des restlos besetzten Konzertes ablieferte. Nicht nur in den Werken für Orgel solo, wie Louis-Claude Daquins mit kunstfertigen Lautmalereien ausgeziertem „Le coucou“ und Christoph Wolfgang Druckenmüllers grandios gespieltem Concerto in G-Dur, sondern auch in den Bearbeitungen für Orgel und zwei Trompeten, die Grünert zusammen mit den Solisten Conrad Wecke und Philipp Lohse vortrug, zeigte sich seine musikalische Klasse. Es war die Balance aus Natürlichkeit und Virtuosität, aus schnörkelloser Stringenz und klanglicher Prachtentfaltung, die sein Spiel auszeichnete.
Den beiden Trompetern bot die Orgel ein inspirierendes Fundament. Mit Georg Friedrich Händels „Einzug der Königin von Saba“, der zum Auftakt erklang, sorgten die Chemnitzer Trompeter für ein barockes Feuerwerk. Nach einer ersten kurzen Warmlaufphase schienen die Bläserstimmen auf organische Weise zusammenzuwachsen. Schlank geführt und ausgewogen sprachen beide Instrumente mit einer Stimme. Wie aus einem Guss klang die majestätisch schreitende Interpretation von Johann Sebastian Bachs Arie „Wie will ich mich freuen“ aus BW 146. In Petronio Franceschinis Sonata in D suchten die beiden Trompeter einander an Strahlkraft förmlich zu übertrumpfen.
Das kontrastreiche, geschickt zusammengestellte Programm konzentrierte sich fast ausschließlich auf Werke des 17. Jahrhunderts. Die drei Musiker schöpften die immense Vielfalt der Barockmusik mit sichtlicher Freude an ihren reichen Kontrasten und dem jeweiligen nationalen Kolorit aus. Den krönenden Abschluss des mit großem Beifall bedachten Konzertes bildete eine Suite aus Händels berühmter Wassermusik. Auf die mitreißend gestaltete Ouvertüre folgten fünf farbenreiche Sätze, deren unterschiedliche Charaktere prägnant ausgestaltet wurden.