„Mare of Easttown“ auf Sky zu sehen

Kate Winslet als Kleinstadtpolizistin Mare Sheehan in einer Szene aus „Mare of Easttown“. Foto: HBO/Sky/dpa
© HBO/Sky/dpa

Kate Winslet spielt in der stimmungsvollen Krimiserie eine Kleinstadtermittlerin.

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. Kate Winslet, seit ihrer Rettung aus den Fluten des Nordatlantik im „Titanic“-Epos 1997 ein Star, hat in den letzten Jahren eher wenig Wellen gemacht. Doch die britische Schauspielerin, die 2008 für „Die Vorleserin“ einen Oscar verliehen bekam, ist bekannt für ihre furchtlose Rollenwahl. Ihr erdiges Charisma kommt nun dieser neuen siebenteiligen Krimiserie zugute, in der die Zuschauer in gemächlichem Tempo, jedoch unwiderstehlich, in die Geheimnisse einer Kleinstadt gezogen werden.

Winslet spielt die Polizistin Mare Sheehan, die in drei Fällen von verschwundenen und getöteten Mädchen ermitteln muss. Die geschiedene Mutter, die auch schon Großmutter ist, kennt ihr Umfeld wie ihre Westentasche. Mare, die bei den Einwohnern wegen ihres legendären Wurfs bei einem Highschool-Basketballspiel immer noch als „local hero“ gilt, hat eine goldene Zukunft hinter sich. Sie ist verschlossen und schroff, nicht nur wegen traumatischer Dinge in ihrer Vergangenheit. Auch in der Gegenwart gibt es Grund genug für schlechte Laune, denn seit einem Jahr ist die junge Katie verschwunden. Deren Mutter wirft Mare, ihrer einst besten Freundin, öffentlich vor, sich nicht genügend um den Fall zu kümmern. Als dann auch noch die junge Single-Mutter Erin erschossen im Wald aufgefunden wird, bekommt Mare den aufgeweckten Ermittler Eric zur Seite gestellt. Er lässt sich weder von Mares Unfreundlichkeit noch ihren hemdsärmeligen Methoden entmutigen.

Kate Winslet als vom Leben gebeutelte Alltagsheldin, die obsessiv an der E-Zigarette zieht, gelingt das Kunststück, mit ihrer formlosen Pummeligkeit und der herausgewachsenen Blondierung unansehnlich und dann wieder hinreißend auszusehen. Hinter Mares Erstarrung lässt sie eine Energie aufblitzen, die sich auch in kalter Skrupellosigkeit äußert. Zwar wirken nicht wenige Elemente des weit ausholenden Drehbuchs, darunter das Auftauchen eines Literaturdozenten, der sich um die unleidliche Polizistin bemüht, wie aus einem dümmeren Film abgeschaut. Doch die Charaktere sind ungewöhnlich vielschichtig. Besonders Frauen dürfen, jenseits eines eindimensionalen Opferschemas, in vielen Facetten der Torheit, Bosheit und des tief sitzenden Grolls schillern. Das reicht von Mares täglichen verbalen Schlagabtausch mit ihrer Mutter bis zu körperlichen Auseinandersetzungen.

Nun ist es kein Unterschicht-Milieu, das hier porträtiert wird, selbst wenn Häuser und Wohnungen gänzlich unschick sind und Mare wie eine Verhungernde Fast Food in sich hineinschlingt. Jeder aber in diesen engen Familienverbänden hat eine potenziell existenzbedrohende Not in der Hinterhand. Und an Drogen zur Betäubung von Angst und Depression herrscht kein Mangel.

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Zwar erinnert das Szenario an die skandinavischen „Nordic Noir“-Krimis, doch der Blick auf die menschliche Tragik und Fehlbarkeit ist warmherziger und humorvoller. Ausgemalt wird besonders die Malaise von Teenagern, die, nach außen pampig und innerlich waidwund, zugleich frühreif und verletzlich, weder auf die Hilfe von Eltern, Priestern noch Lehrer hoffen können. Denn die sind in eigene Probleme verstrickt.

Der romanhafte Sog dieser Serie ist aber auch dem authentischen Lokalkolorit geschuldet. Gedreht wurde tatsächlich am titelgebenden Originalschauplatz Easttown Township, einem Vorort von Philadelphia. Und mit Mares allmählichem Eintauchen in die Untiefen des Kleinstadtkosmos entwickelt sich paradoxerweise eine zugleich düstere und heimelige Atmosphäre, die einen auch jenseits der Frage nach dem „Whodunit“ in Bann schlägt.