Ein Großteil der einst in der Aßlarer Akupunktur-Praxis Beschäftigten hat mittlerweile gekündigt. Arzthelferinnen hatten zuletzt als Zeuginnen gegen ihre Chefin ausgesagt.
Von Jörgen Linker
Redakteur Dillenburg
Die Aßlarer Ärztin soll Patienten Cortison-Spritzen mit dem Wirkstoff Triamcinolonacetonid statt Akupunkturnadeln gesetzt haben.
(Foto: Linker)
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ASSLAR - Ein Großteil der einst in der Aßlarer Akupunktur-Praxis Beschäftigten hat mittlerweile gekündigt. Arzthelferinnen hatten zuletzt als Zeuginnen gegen ihre Chefin ausgesagt.
Gegen die Ärztin wird wegen gefährlicher Körperverletzungen ermittelt. Sie soll Patienten, die sich von ihr wegen Allergien und Hauterkrankungen mit Akupunktur behandeln ließen, während der Behandlungen heimlich Cortisonspritzen statt Akupunkturnadeln in den Po gesetzt haben.
Zuletzt hatte die Polizei Computer aus der Praxis ausgewertet und die Arzthelferinnen als Zeuginnen vernommen. Demnach soll die Ärztin Patientenakten im Computer frisiert und Einträge nachträglich verändert haben.
Derzeit ist ein medizinisches Gutachten zu den Cortison-Werten in Arbeit
Nach Informationen dieser Zeitung sind von dem ursprünglichen Praxis-Team nur noch die Ärztin und eine Angestellte übrig. Sieben Personen – Arztheferinnen sowie eine zweite Ärztin – sollen seit den Ermittlungen gekündigt haben.
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wetzlar läuft seit rund anderthalb Jahren. Derzeit ist ein medizinisches Gutachten in Arbeit. Eine Professorin soll beurteilen, wie der in Urin- und Haarproben von Patienten festgestellte Cortison-Wirkstoff Triamcinolonacetonid in die Körper kam.
Dr. Burkhard Kirchhoff, anfangs der Rechtsanwalt der Ärztin, hatte behauptet, der Wirkstoff könne auch durch Salben, Cremes oder Tinkturen in die Körper gelangt sein. Insbesondere Patienten, die von Allergien und Hautkrankheiten geplagt seien, griffen auch darauf zurück.
Die Frage, wie bestimmte Mengen Cortison in einen Körper gelangt sein können, spielte schon einmal eine Rolle vor Gericht. In Paderborn hatte das Landgericht vor zweieinhalb Jahren eine Ärztin verurteilt, die Patienten heimlich Cortison verabreicht hatte. Die Medizinerin hatte kurz vor Prozessende gestanden, dass sie über 500 Patienten eine homöopathische Behandlung versprochen, aber heimlich Cortison verabreicht hatte. Das Gericht verurteilte die Ärztin wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung sowie zu einem dreijährigen Berufsverbot.
Dort spielten die im Urin gemessenen Cortison-Werte eine große Rolle, dort waren auch Gutachter eingeschaltet worden. Der Paderborner Rechtsanwalt Andreas Carl, er vertrat damals Patienten (und er hat auch jetzt Mandanten, die in Aßlar in Behandlung waren) hatte dieser Zeitung berichtet: „Bei meinen Patienten lagen die Cortison-Konzentrationen im Urin im selben Spektrum wie bei den Patienten im Lahn-Dill-Kreis, zwischen 2 und 15 Nanogramm Triamcinolonacetonid pro Milliliter Urin.“ Und der Paderborner Staatsanwalt Henrik Dahnke hatte auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt: Solche hohen Konzentrationen hätten nicht durch Cremes, Salben oder Sprays erreicht werden können. Als Quellen blieben damals nur die Cortison-Spritzen in der Naturheilpraxis.
Inzwischen hat die Aßlarer Ärztin den Anwalt gewechselt. Sie wird von Dietmar Kleiner, einem Juristen aus Gießen, vertreten. Er hatte behauptet, die Ärztin habe zwar in einigen Fällen Cortison gespritzt, aber diese Patienten vorher aufgeklärt und auch deren Einwilligung erhalten; so sei es auch in Patientenakten dokumentiert. Dem sollen bereits Aussagen von Patienten und nun auch Ermittlungsergebnisse durch die Auswertung der Praxis-Computer und Vernehmung der Arzthelferinnen entgegenstehen.