Volkshochschule (VHS) des Lahn-Dill-Kreises will moderner werden
Die Volkshochschule (VHS) des Lahn-Dill-Kreises hat die Semester abgeschafft und das klassische Programmheft eingestampft. Die Verantwortlichen setzen seit dem vergangenen Sommer auf das digitale Angebot
Von Katrin Weber
Redakteurin Dillenburg
Über die Internetseite oder die App der VHS bekommt man alle Informationen über das Programm und kann sich, egal wann und wo, gleich anmelden. Das Kursprogramm ist ebenfalls nicht mehr starr, sondern kann sich spontan ändern. Foto: Katrin Weber
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DILLENBURG - Die Volkshochschule (VHS) des Lahn-Dill-Kreises hat die Semester abgeschafft und das klassische Programmheft eingestampft. Die Verantwortlichen setzen seit dem vergangenen Sommer auf das digitale Angebot und ein ganzjähriges Kurssystem. Damit will die Bildungseinrichtung flexibler werden, neue Personengruppen ansprechen und auf Trends reagieren können. Im Interview sagt die pädagogische Leiterin der VHS, Nadine Maihack-Stanzel, wie die ersten Monate der Neuausrichtung gelaufen sind.
Die Lahn-Dill-Akademie will digitaler werden, nein, ist digitaler geworden. Interessierte können sich auf der Internetseite und mit der App über das Programm informieren und sich auch gleich anmelden. Was ist der Grund für diesen Schritt?
Für diesen Schritt gab es mehrere Gründe: Zum einen haben wir uns entschieden, die starre Semestereinteilung abzuschaffen, um Interessenten ein ganzjähriges Kursangebot zu unterbreiten. Dazu kam, dass wir ein verändertes Nutzerverhalten feststellen konnten und wir vermehrt Online-Anmeldungen hatten. Nur noch 14 Prozent meldeten sich über den herkömmlichen schriftlichen Weg an. Die letzte Auflage des Programmhefts betrug 9000 Stück, aber unter anderem gingen die Verteilstellen zurück und in verschiedenen Auslagen blieben viele Exemplare übrig. Am Ende des Semesters haben wir sehr viele Hefte einfach vernichtet.
TERMIN
VHS zum Anfassen und Mitmachen: Die Volkshochschule mit Musikschule lädt für Samstag, 25. Januar, zum Tag der offenen Tür ein. Von 10 bis 15 Uhr bieten die VHS und die Musikschule die Möglichkeit, verschiedene Angebote kennenzulernen.
Rund 30 verschiedene Kurse können ausprobiert werden. Von Reggaeton und Latin Mix über Hatha Yoga bis hin zu Portugiesisch ist aus allen Bereichen etwas dabei.
Der Tag der offenen Tür findet am Standort in Dillenburg in der Bahnhofstraße statt.
Gibt es Nutzerzahlen?
Es gab ohnehin eine Personengruppe, die schon immer auf der Internetseite geschaut hat. Das haben auch die Zahlen gesagt. 2019 waren es fast 33 000 Besucher auf unserer Webseite.
Was bedeutet die Umstellung für die Dozenten?
In den starren Strukturen musste ein Kursleiter bis zu einem gewissen Tag sein Programm eingereicht haben. Kam es kurz danach, war es nicht mehr im Programmheft drin. Dann konnte man ein halbes Jahr warten und hatte dann erst die Möglichkeit, dass es im Heft steht. Dadurch dass wir alles online verlagern, können wir viel flexibler agieren.
Vor allem für die Teilnehmer, oder?
Ja, Teilnehmer, die sich interessieren, können auf der Homepage stöbern. Kursleiter können ganzjährig Kurse, Programme, Ideen einreichen. Sie werden dann erstellt und sobald sie fertig sind, sind sie buchbar. Es gibt nicht mehr diesen Stichtag wie früher. Beispielsweise haben wir interessanterweise viele Anmeldungen zwischen den Jahren bekommen, die meisten am 26. Dezember. Das war bisher nicht möglich, denn das Programm wurde in der zweiten Januarwoche veröffentlicht und auch dann erst auf der Homepage freigeschaltet. Da haben wir unter anderem Bildungsurlaube im Sommer, die schon im vergangenen Jahr ausgebucht waren.
Was bedeuten die Neuerungen für die VHS?
Dadurch können wir auf Trends eingehen. Ein Thema, das gerade alle bewegt, können wir sofort aufgreifen und schnell bewerben.
Also kann man die spontanen Entscheidungen besser auffangen?
Genau. Wenn ich mir nachts um 1 Uhr überlege, einen Yoga-Kurs zu machen, dann kann ich den sofort buchen. Unabhängig und zügig. Ich kann natürlich auch den Anmeldebogen ausfüllen, aber das ist vielen zu umständlich.
Haben alle Volkshochschulen das Programmheft eingestampft?
Wir sind eine der wenigen VHS in Deutschland, die das Heft bereits abgeschafft haben. Es ist für uns etwas Neues gewesen, wir haben aber den Versuch gewagt. Nach dem ersten halben Jahr haben wir uns die Zahlen angeschaut und können nicht grundlegend Negatives feststellen, beispielsweise was die Anmeldezahlen und die Aufrufe der Homepage betrifft. Unsere Social-Media-Auftritte wurden erweitert, sodass eine ganz andere Personengruppe erreicht werden kann.
Ein Versuch? Wie ist dieser Versuch angelaufen?
Es gab natürlich unterschiedliche Meinungen. Wir haben viele positive Rückmeldungen erhalten von Personen im jüngeren und mittleren Alter, die uns jetzt auch bei Instagram oder auf Facebook folgen. Damit haben wir Personengruppen auf dem Schirm, die vorher nicht aufmerksam auf uns geworden waren. Es gab auch Personen, die das Programmheft zurückhaben wollten, meist mit der Begründung, dass sie etwas durchblättern oder stöbern wollen. Das können wir nachvollziehen, aber es ist dann auch schade, dass - und das hat es gegeben - hier ein Programmheft mitgenommen wurde und ein paar Meter weiter vorne am Ausgang im Mülleimer entsorgt wurde.
Wie erreicht die Volkshochschule diejenigen, die lieber ein Blatt Papier wollen oder in der digitalen Welt sich noch nicht zurechtfinden?
Wir werden das weiterhin bedienen. Für sie haben wir ganzseitige Anzeigen in Medien, die alle Haushalte erreichen.
Inwieweit haben die Kosten für das Programmheft eine Rolle dabei gespielt?
Es ist nicht so, dass wir damit etwas einsparen wollten. Die Kosten werden verlagert: Es wurde eine App eingeführt, die ganzseitigen Anzeigen kosten Geld, und wir haben für spezielle Bereiche beispielsweise gedruckte Angebotsflyer. Es geht einfach um die Digitalisierung. Immer mehr Menschen möchten nicht mehr auf Öffnungszeiten achten, spontan entscheiden, egal wann und wo.
Das Semestersystem ist abgeschafft. Wie sieht es mit dem Service, sprich mit den Öffnungszeiten aus?
Die Servicezeiten wurden erweitert. Früher hatten wir in den Ferien teilweise geschlossen, das gibt es nicht mehr. Nun ist es möglich, Kurse in den Ferien zu besuchen. Einzig zwischen den Jahren haben wir geschlossen. Ganzjährig, flexibel Kurse anzubieten, war das Ziel.
Hat sich die Umstellung auf die Digitalisierung auf die Teilnehmerzahlen ausgewirkt?
Nein, ganz klar. Weniger sind es nicht. Die Zahlen habe ich rausgesucht. Im ersten Halbjahr 2019 hatten wir 410 schriftliche Anmeldungen und über 1500 online. Im zweiten Halbjahr waren es nur noch 146 schriftliche Anmeldungen. Es geht immer weiter nach unten. Einbrüche bei den Teilnehmerzahlen hatten wir keine. Aktuell verzeichnen wir 2337 Anmeldungen. Es gibt viele Neuanmeldungen von Personen, die noch nie bei uns waren.
Erfüllt die Umstellung die Erwartungen?
Erst ein halbes Jahr - das ist für uns schon gelungen. Es ist so, wie wir uns das gedacht haben. Das erste halbe Jahr nehmen wir als positiv mit, aber wir nehmen auch die Anregungen und Kritik mit. Es gab viel Lob, aber es gab auch Kritik.
Haben Sie sich selbst irgendwo angemeldet?
Nicht nur für einen Kurs. Ich habe mich bei Pilates angemeldet, dazu muss ich sagen, dass ich dies abends auf der Couch gemacht habe. Ich besuche einen Wildkochkurs, und habe mich noch für Salsa, Merengue, Bachata angemeldet, außerdem noch für Zentangle, Shiatsu und Autogenes Training.