Jan Bernhardt erzählt, was Leben mit Down-Syndrom für ihn bedeutet
Der Seelbacher Jan Bernhardt hat Trisomie 21. Zum Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März) erzählt der 22-Jährige, was das für ihn bedeutet.
Von Katrin Weber
Redakteurin Dillenburg
Zum Welt-Down-Syndrom-Tag erzählt Jan Bernhardt, was das Down-Syndrom für ihn bedeutet: "Ich fühle mich nicht anders, nur ein bisschen cooler." Foto: Katrin Weber
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HERBORN-SEELBACH - Wenn es um den FC Bayern München geht, macht Jan Bernhardt so schnell niemand etwas vor. Er kennt die Stärken und Schwächen von jedem Spieler, hat Tipps für Spielerverpflichtungen und würde gerne in München an der Säbener Straße ein Praktikum machen. Jan Bernhardt kennt sich aber nicht nur mit seinem Lieblingsverein aus: Der Seelbacher hat das Down-Syndrom und erzählt zum Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März), was dies für ihn bedeutet.
"Down-Syndrom ist Trisomie 21. Das bedeutet, ich habe ein Chromosom zu viel, also 47 statt 46", beschreibt er das Down-Syndrom und bringt es schnell auf den Punkt. "Man braucht für alles ein bisschen länger", sagt Bernhardt und ist eigentlich schon fertig mit der Erklärung, wie sich das Down-Syndrom auf seinen Alltag auswirkt. Erst auf die Nachfrage, was genau er damit meine, gibt er einen näheren Einblick. Als Beispiel nennt er die Mathematik: "Na, Tangens beispielsweise. Mein Opa hat versucht, mir das zu erklären, und es hat ein bisschen länger gedauert als bei anderen Menschen, bis ich Tangens verstanden hatte." Ausgerechnet aus der Mathematik, die so manchen in der Schule hat verzweifeln lassen, nennt Bernhardt ein Beispiel. Er hat die Winkelfunktion nun verstanden, auch wenn es ein bisschen länger gedauert hat. Andere, die nicht die Genmutation wie Jan Bernhardt haben, können auch Jahrzehnte nichts mit Tangens und Kotangens anfangen.
Der Seelbacher war auf der Budenbergschule in Haiger. Der Unterricht hat ihm Spaß gemacht, er ist gerne jeden Tag in die Schule gefahren. Doch das ist vorbei.
Der "der die Elfer schießen darf"
Bei der Lebenshilfe Dillenburg ist er angestellt. Bernhardt arbeitet in der Gärtnerei. "Sechs Tag in der Woche", sagt er, nach reiflicher Überlegung, über seine Arbeitszeiten und schiebt schnell hinterher: "Davon fünf Tag in der Gärtnerei und einen Tag bei meinem Opa." Der Großvater habe ein sehr großes Grundstück mit vielen Obstbäumen, das gepflegt werden müsse.
DOWN-SYNDROM
Menschen mit Down-Syndrom haben 47 statt 46 Chromosomen. Das 21. Chromosom ist dreifach vorhanden (Trisomie). Dementsprechend wird auch von Trisomie 21 gesprochen. Bereits während der Schwangerschaft kann bestimmt werden, ob ein Kind das Down-Syndrom hat. In dem Buch "1000 Zeichen - Begegnungen Downtown", einem Schreibprojekt der Lebenshilfe Dillenburg für und mit Menschen mit Down-Syndrom, ist beschrieben, dass aufgrund der Pränataldiagnostik immer mehr Menschen mit Down-Syndrom abgetrieben würden. Laut dem Statistik-Portal "Statista" leben in Deutschland geschätzt rund 50 000 Menschen mit Down-Syndrom. Sascha Kirchhoff, Poetry Slamer aus Dillenburg, gibt mit seinem "Stimmgeber"-Projekt Menschen mit Down-Syndrom auf www.instagram.com/stimmgeber und auf www.facebook.com/stimmgeber eine Plattform. Seit 2006 wird am 21. März der Welt-Down-Syndrom-Tag gefeiert. Das Datum ist gewählt, weil bei Menschen mit Down-Syndrom das 21. Chromosom dreimal vorhanden ist. Seit 2012 ist der Tag von den Vereinten Nationen anerkannt. (kawe)
Eifrig hilft der 22-Jährige dabei: "Das strengt mich nicht an. Ich bin die Arbeit gewöhnt." Aber auch da dauere alles ein bisschen länger, weiß er. Die Arbeit macht er gerne. Hecken schneiden, Bäume fällen, Laub zusammenrechen - das ist genau sein Ding. Jan Bernhardt beginnt seinen Arbeitstag fröhlich. Er singt gerne. Das hebe die Stimmung im Bus nach Flammersbach. "Da wird dann ruckizucki der Transporter beladen und ab geht's", berichtet er von seinem Arbeitsalltag. Eine, manchmal zwei Baustellen am Tag steuerten sie an: "Das hängt aber vom Wetter ab."
Ob ihn Menschen manchmal anschauen, weil er das Down-Syndrom hat? "Ja, manche schon, aber die ignoriere ich", sagt der 22-Jährige selbstbewusst. Was er nicht mag, sind Unstimmigkeiten mit Kollegen. "Das beschäftigt mich sehr", wird er nachdenklich, im nächsten Augenblick kommt er aber wieder auf seinen Lieblingsverein zu sprechen: "Und den Ancelotti, den mag ich auch nicht." Carlo Ancelotti war Trainer beim FC Bayern München: "Seine Spielweise, wie und welche Spieler er ge- und verkauft hat - das ging gar nicht."
Wenn Jan Bernhardt über seine Zukunftspläne spricht, dann steht der Bundesligist wieder im Fokus. "Vielleicht funktioniert's und ich werde FCB-Trainer", lächelt er, wohlwissend, dass dies (s)ein Traum ist. Seine Phantasie geht oft mit ihm durch, erzählt er weiter darüber, wie ihn das Down-Syndrom im Alltag begleite. Er könne sich in vieles reinsteigern. Politisch ist er sehr interessiert. Die Umwelt- und Klimapolitik beschäftige ist. "Wie mit dem Klima umgegangen wird, das regt mich am allermeisten auf. Wenn es so weitergeht, dann saufen die Küstenstädte alle ab", sagt er. Auch die Verteidigungspolitik bringt ihn in Rage: "Da muss man halt mal was ausgeben." Und eine Finanzkrise sei das letzte, was man jetzt noch brauche, ist er sich sicher.
Bernhardt schaut viel Fernsehen, spricht mit seinen Eltern über das, was er in den Nachrichten sieht, bildet sich eine Meinung. Der Seelbacher liebt Fußball. Beim örtlichen Sport Klub (SK) trainiert er mit der zweiten Mannschaft. Er ist derjenige, "der die Elfer schießen darf". Die kann er perfekt. Sein starker rechter Fuß hat schon so manches Tor erzielt.
Dass er ein Fußballexperte ist, hat auch der ERF in Wetzlar erkannt. Dort lieferte er im August in "Gott sei Dank" seine Bundesligavorschau mit genauen Expertisen.
Ob er den Eindruck hat, dass er "irgendwie anders" sei? "Nein, gar nicht. Ich fühle mich nicht anders, nur ein bisschen cooler."