Schock-Anrufe in Mittelhessen: So schwer ist die Täter-Jagd
Enkeltrick, falsche Polizisten, ein vermeintlicher Arzt: Telefonbetrüger sind in Mittelhessen aktuell sehr umtriebig. Die Suche nach den Tätern ist für die Polizei schwer. Warum?
Von Tobi Manges
Redakteur
Trick-Betrug am Telefon: Warum ist es so schwer, an die Täter heranzukommen? Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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WETZLAR/DILLENBURG - Mal wieder schwappt Welle von Schock-Anrufen über Mittelhessen. Enkeltrick, falsche Polizisten, ein vermeintlicher Arzt: Die Geschichten der Täter werden immer raffinierter. Mitte Oktober meldete die Polizei etwa ein erhöhtes Aufkommen solcher Anrufe im Kreis Marburg-Biedenkopf. Für die Polizei ist es schwer, an die Täter heranzukommen. Pressesprecher Guido Rehr von der Polizeidirektion Lahn-Dill erklärt, warum.
Die neueste Masche der Betrüger ist besonders perfide: Ein Mann ruft an und gibt sich als Arzt aus. Ein Angehöriger des Angerufenen sei zusammengebrochen und ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dort habe man bei einer Untersuchung eine Corona-Erkrankung festgestellt und der Zustand würde sich drastisch verschlechtern.
DIESE INFOS BRAUCHT DIE POLIZEI
Ein Betrüger ist am Telefon und Sie haben seine Masche durchschaut: Wie können Sie der Polizei jetzt weiterhelfen?
"Es gibt verschiedene Dinge, die wir abfragen", erklärt Polizei-Pressesprecher Guido Rehr. Wie ist der Kontakt zustande gekommen? Was wurde bisher ausgemacht? Welche Geschichte hat der Anrufer erzählt?
Und: Wurde eine Geldübergabe vereinbart? "Das ist für uns besonders interessant, weil wir natürlich versuchen wollen, den Geldboten zu erwischen", erklärt Rehr.
Hilfe würde nur ein Medikament versprechen, das es in Deutschland noch nicht gibt. Es müsse mit dem Hubschrauber aus der Schweiz eingeflogen werden. Das kostet allerdings 30.000 Euro, behauptet der vermeintliche Arzt.
Eine andere Geschichte: Ein Anrufer gibt sich als Polizist aus und erzählt, dass ein Angehöriger des Angerufenen einen schweren Unfall verursacht hätte. Es müsse sofort ein hoher Geldbetrag hinterlegt werden, sonst würde der Angehörige ins Gefängnis kommen. In Weilburg hob eine 80-Jährige deshalb 100.000 Euro von ihrem Konto ab, die Geldübergabe platzte in letzter Sekunde wegen einer aufmerksamen Verwandten.
Was kann die Polizei tun, um solchen Tätern das Handwerk zu legen? Das ist gar nicht so leicht, sagt Guido Rehr. Aber es gibt einige Möglichkeiten. Erstens: den Anruf nachverfolgen. Von wo hat der Betrüger angerufen? Dabei komm allerdings oft heraus, dass der Anrufer im Ausland sitzt. Dort gibt es manchmal ganze Callcenter. "An die kommt man nicht so leicht heran", erklärt Guido Rehr. "Da muss die Justiz im Ausland mitarbeiten. Dahinter steckt viel kriminalistische Feinarbeit."
Video: So hört sich ein Enkeltrick-Anruf an:
Möglichkeit Nummer zwei: der Geldbote. "Wenn wir einen Geldboten festnehmen können, schließen sich natürlich weitere Möglichkeiten an", sagt Rehr. Wo hat sich der Bote aufgehalten? Zu wem hatte er Kontakt? Die Polizei kann beispielsweise Handy-Daten des Boten auswerten, um an Informationen über die Hintermänner zu gelangen. "Außerdem achten wir bei der Anzeigenaufnahme darauf, wie die Täter vorgegangen sind", so Rehr weiter. "Welche Geschichte haben sie erzählt? Welches weitere Vorgehen wurde vereinbart?" Die Polizei erfasst die Fälle im gesamten Bundesgebiet. "Oft gibt es Ähnlichkeiten in den Fällen und wir können Zusammenhänge herstellen."
Ist ein Schock-Anruf eigentlich strafbar, selbst wenn es nicht zur Geldübergabe kommt? "Das ist eine feinjuristische Sache", sagt Rehr. Bei einem solchen Betrug sei schon der Versuch strafbar. "Ob aus juristischer Sicht ein Versuch vorliegt, muss die Staatsanwaltschaft im Einzelfall entscheiden."
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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 08.10.2021 um 19:01 Uhr publiziert.