Mehr als 600 Personen aus ganz Deutschland haben vor dem Möbelhaus im Stadtteil von Hofheim die Arbeit niedergelegt. Was dort los war und was gefordert wird.
Frankfurt/Wallau. So bunt wie am Donnerstag war der Ikea-Parkplatz seit zehn Jahren nicht mehr, letztmalig 2013, als ebenfalls gestreikt wurde. Mit mehr als 600 Teilnehmenden aus ganz Deutschland wurden sogar noch 200 Personen mehr gezählt als vor zehn Jahren.
Die Betriebsrätin des Ikea-Standortes Wallau, Kerstin Franz, begrüßte nach und nach Kolleginnen und Kollegen aus 35 Einrichtungshäusern. Sie waren zum Teil schon mitten in der Nacht mit Bussen aufgebrochen, um mittags am Streik teilnehmen zu können. Von Kiel über Osnabrück, Köln, Ulm bis München, von Saarlouis über Kaiserslautern, Braunschweig, Erfurt und Leipzig bis Dresden waren sie angereist. Beeindruckt von der deutschlandweiten Teilnahme am Streik zeigte sich auch Verdi-Gewerkschaftssekretär Matthias Schäfer aus Frankfurt. Er hatte selbst 13 Jahre bei Ikea gearbeitet. „Es geht um unser aller Lebensgrundlage“, kommentierte er die Verdi-Tarifforderungen.
Energiepreise und Inflation drücken Reallöhne
Vom Großteil der Teilnehmenden war zu hören, dass ihr Hauptmotiv an der Teilnahme am Streik der Verdienst sei, aber auch die Angst vor der Digitalisierung und somit die Befürchtung als Mitarbeitende bald überflüssig zu sein und den Arbeitsplatz zu verlieren. Ein Streikender aus Mannheim nannte das Ikea-Prinzip „Selbst-Service“, zu dem Kundinnen und Kunden erzogen werden sollten und mit dem das Unternehmen Arbeitsplätze einsparen könne. Eine Streikende aus Wuppertal sagte klar und deutlich, dass es ihr um einen höheren Verdienst gehe. Das waren auch die Themen, die von den Gastrednern aufgegriffen wurden. Philipp Jacks, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für die Region Frankfurt-Rhein-Main, stellte fest, dass die Reallöhne nicht zuletzt durch Energiepreise und Inflation nach unten gedrückt würden. „Wir sind hier, um in diesem Wirtschaftssystem, das falsch läuft, Gerechtigkeit zu schaffen“, rief er. Lautes Trillerpfeifen-Konzert und lauter Beifall stimmten ihm zu. Auch Alexander Klein, Bezirksgeschäftsführer des Verdi-Bezirks Frankfurt am Main und Region, sprach davon, dass trotz und gerade wegen der hohen Inflation „etwas in die Tasche“ kommen müsse. Er erinnerte an die Corona-Zeit, als Angestellte im Einzelhandel als Helden gefeiert wurden, weil sie den Alltag am Laufen hielten. Wenn es aber so weitergehe, drohe dem Handel bis 2035 ein Fachkräftemangel von 1,5 Millionen vakanten Stellen, das bedeute jede dritte Stelle im Einzelhandel.
Die Kundgebung wurde vom Rhythmus der Verdi-Trommlergruppe, der Musik von Ikea-Beschäftigten, freien Erfrischungsgetränken und Snacks sowie der Kundgebung um die Ikea-Gebäude begleitet.
Verdi fordert für die rund 235.000 Beschäftigten der Branche in Hessen eine Erhöhung der Stundensätze um einheitlich 2,50 Euro. Außerdem die Anhebung der Ausbildungsvergütungen um 250 Euro in jedem Ausbildungsjahr und eine Laufzeit des Tarifvertrages von 12 Monaten. Auch die Allgemeinverbindlicherklärung der Branchentarifverträge durch einen gemeinsamen Antrag des Handelsverbandes Hessen und Verdi ist Bestandteil der Forderungen.
Die Tarifforderungen der anderen Tarifgebiete sind nahezu identisch.
Die Arbeitgeber bieten lediglich eine Erhöhung der Löhne und Gehälter von 7,5 Prozent, verteilt über die Jahre 2023 und 2024 sowie zwei Inflationsausgleichszahlungen von je 700 Euro an. Ein solcher Abschluss würde für die Beschäftigten im Einzelhandel einen deutlichen Kaufkraftverlust bedeuten und sei deshalb inakzeptabel.