Es fehlt an allem: Heimische DRKler über ihre wertvolle Arbeit in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten und die Hilfe für die Helfer.
HOCHTAUNUS. Die Lage im Hochwassergebiet an der Ahr ist immer noch unübersichtlich und nimmt für die Menschen dort dramatische Dimensionen an. Inzwischen droht Seuchengefahr. Ehrenamtliche DRK-Helfer aus dem Hochtaunus sind Teil der vom DRK-Landesverband gestellten Katastrophenschutztruppe. Sie sorgen für sauberes Trinkwasser, versuchen aber auch, den Flutopfern bei der Bewältigung der traumatischen Ereignisse seelischen Beistand zu leisten. Ein Situationsbericht aus der ersten Reihe, der einerseits schaudern lässt. Andererseits zeugt er aber auch von berührenden Momenten mit Gänsehauteffekt sowie großer Wertschätzung den Helfern gegenüber.
"Bis in den Hochwasserregionen an der Ahr das Leben wieder in einigermaßen normalen Bahnen möglich sein wird, vergehen nicht Monate, das dauert Jahre, wenn es überhaupt jemals wieder so wird, wie es einmal war", schildern Mark Henning, Kreisbereitschaftsleiter des DRK Hochtaunus, und Uwe Riehl, Rotkreuzbeauftragter, erschüttert ihre Erlebnisse im Krisengebiet. Beide wissen: Der Einsatz im Landkreis Ahrweiler, der allen Helfern, egal von welcher Organisation, alles abverlangt, ist noch lange nicht zu Ende.
Hilfe für die Helfer
Aber es gibt bei aller Dramatik auch Momente und Umstände, die all das zumindest für einen Moment, zwar nicht vergessen, aber erträglich machen: "Das muss man sich einmal vorstellen - wir sind mit unserem Team in Löhndorf, einem kleinen Vorort von Sinzig am Rande des Krisengebietes, der gerade eben verschont geblieben war, in der alten Schule untergebracht. Das ganze Dorf versorgt uns mit Frühstück, Privatleute laden uns zum Duschen ein, sie sagen uns, dass sie zum Glück glimpflich davongekommen sind und uns als ihren Anteil beim Helfen helfen wollen - einfach klasse, diese gewaltige Solidarität", schwärmt Riehl über die Hilfsbereitschaft im Krisengebiet, auch den Helfern gegenüber.
Das DRK Hochtaunus ist mit seinem Katastrophenschutzteam in den Einsatz des DRK Landesverbandes mit zwei Abteilungen ergänzend zum staatlichen Katastrophenschutz eingebunden: Die einen stellen die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser sicher, die anderen helfen Menschen, die durch die Flutkatastrophe alles außer ihrem Leben verloren haben, mit den Ereignissen und ihren Folgen umzugehen und spenden ihnen Trost und Zuversicht. Unter der Leitung von Notfallseelsorger Thorsten Mebus sind zehn Kräfte aus dem Hochtaunus in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) eingesetzt. Sie sind Teil des Kriseninterventionsteams (KID), das durch schlimme Erlebnisse traumatisierten Menschen - Opern wie Helfern - in schweren Stunden seelischen Beistand leistet und ihnen hilft, das Erlebte mental zu verarbeiten bevor sich die Traumata verselbstständigen und psychische Schäden anrichten. "Das ist immer wieder auch bei unseren eigenen Leuten, aber auch bei Feuerwehrleuten, die Leichen Ertrunkener bergen müssen, leider auch die von Kindern, nötig - so etwas bleibt nicht in den Kleidern hängen, da ist sehr viel Einfühlungsvermögen nötig", sagt Mark Henning. Mit dieser Belastung müsse man auch als Helfer erst einmal umgehen lernen. "Das kann nicht jeder, weil auch bei uns jeder seine eigenen, ganz persönlichen Deja-Vu-Erlebnisse hat. Das löst leicht Kopfkino aus und lässt alte seelische Wunden aufreißen", so Henning. Die beiden vier- bis fünfköpfigen PSNV-Teams wechseln sich ab und sind auf dem Nürburgring untergebracht. Sie starten von dort aus nach Anforderung der örtlichen Einsatzleitungen zur "aufsuchenden Krisenintervention". Planbar sind diese Einsätze nicht, "sie dauern eben so lange wie sie dauern, das kommt ganz auf die Schwere des Traumas an, da wird auch schon mal die Nacht zum Tag", beschreibt Riehl die Arbeit der Kollegen.
Seuchengefahr
Er selbst war bereits mehrfach Teil der Mannschaft, die vom Basislager in Sinzig aus Trinkwasser für die Flutopfer bereitstellt. In großen Teilen des Krisengebietes droht bereits Seuchengefahr, Wasser ist zum Teil zwar da, aber kein Trinkwasser. Das wird täglich ohne Unterbrechung in großen Tankzügen des in Fritzlar stationierten Katastrophenschutzzentrums des DRK-Landesverbandes in 10 000-Liter-Fuhren aus dem Hydranten eines Haribo-Werks in der Nähe herangeholt. "Unsere Aufgabe ist es, das Wasser in Faltcontainer mit einem Kubikmeter Fassungsvermögen sauber zu verpacken. Die Container muss man sich wie große Gemüsefaltkisten vorstellen, in die Kunststoffsäcke eingelegt werden, die das gesamte Volumen der Kiste bis zum letzten Liter ausnutzen", erläutert Henning. Die Faltcontainer werden ebenfalls aus dem Lager Fritzlar in großen Mengen herbeigeschafft. Von dort kam auch das Laborfahrzeug. "Natürlich muss das Wasser ständig auf Keimfreiheit untersucht werden", so Riehl. 25 000 Liter Wasser laufen ihm und seinen Kollegen jeden Tag gewissermaßen durch die Finger. Mit Tag ist wirklich Tag gemeint. Die Helfer arbeiten von 7 Uhr in der Früh bis zum Einbruch der Dunkelheit, somit bis zu 14, 15 Stunden. "Wir könnten auch Tag und Nacht fahren, aber im Dunkeln ist es bei dem maroden Straßennetz und den schweren Lastern einfach zu gefährlich", sagt Riehl.
Mark Henning spricht insgesamt von einer sehr großen Wertschätzung der Arbeit der Helfer gegenüber, sowohl bei den vor Ort betroffenen Menschen, aber auch daheim, wo vielerorts Firmen ihre Mitarbeiter für den Einsatz im Krisengebiet freistellen: "Sie bekommen dafür zwar über den DRK-Bundesverband Lohnersatz, die Arbeit in den Betrieben bleibt aber trotzdem liegen und muss von Kollegen übernommen werden. Diese Unterstützung ist durch nichts zu ersetzen." Die Wertschätzung am Einsatzort beruhe aber auch auf Gegenseitigkeit innerhalb der riesigen Gruppe von organisierten Helfern, berichten Riehl und Henning: "Die Kooperation vor Ort läuft völlig reibungslos, egal ob die Autos rot, blau, weiß oder olivgrün sind und welche Dienstabzeichen die Helfer auf der Schulter tragen - Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Rettungsdienste gleich welcher Organisation, und Bundeswehr arbeiten hier absolut auf Augenhöhe zusammen."