Ralf Müller, Vorsitzender Usinger Gewerbevereins, schätzt im Usinger Anzeiger die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ein - sowohl global als auch mit Blick auf das...
. Usingen (red/hs). Ralf Müller, Vorsitzender Usinger Gewerbevereins, schätzt im Usinger Anzeiger die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ein - sowohl global als auch mit Blick auf das Usinger Land. Bisher seien die Konsequenzen in der Usinger Wirtschaft "glücklicherweise noch nicht dramatisch spürbar", so das FDP-Mitglied.
Zu den Kosten für die deutsche Volkswirtschaft:
Nach einer aktuellen Einschätzung der Deutschen Bank drohen der deutschen Volkswirtschaft als Folge der Corona-Auswirkungen Kosten in Höhe von 1,9 Billionen Euro. Dieser Wert entspräche in etwa dem Aufbau Ost über nahezu 30 Jahre. Damit wird das, was da eventuell noch auf uns alle zukommt, langsam greifbarer, als die Vielzahl der seit Wochen in den Raum gestellten Summen für geplante und bereits realisierten Einzelmaßnahmen. Diesen Betrag werden wir alles als Solidargemeinschaft über mehrere Generationen erarbeiten müssen. Bundesweit zeichnen sich die Auswirkungen auf unser Wirtschaftsleben und damit auf das Leben der Gesellschaft Woche für Woche sichtbarer ab. Zehn Millionen Beschäftigte sind bis auf Weiteres in Kurzarbeit. Branchen, die seit Monaten von den Auswirkungen betroffen sind, kündigen einen massiven Stellenabbau an.
Zu den Auswirkungen auf das Usinger Land:
All diese auf den ersten Blick für uns eher abstrakten Meldungen haben früher oder später konkrete Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Lebensraum bei uns im Usinger Land. Aktuell scheint die Lage im Usinger Gewerbe zum Glück derzeit bei Weitem noch nicht so dramatisch, wie das bundesweit aufgezeigte Szenario. Allerdings kann man auch hier die asymmetrische Lage erkennen. Das heißt, es gibt Unternehmen, die ihre Leistungen halten und zum Teil sogar steigern konnten. Eindeutiger Gewinner sind Unternehmen, die Produkte im Bereich "Heimwerken & Selbermachen" anbieten, also die Bau- und Hobbymärkte, aber auch die Gärtnereien und produktverwandte Anbieter konnten nach Verlusten in der ersten Phase der öffentlichen Beschränkungen ihr Geschäft wieder auf den Normalzustand bringen und teils sogar steigern. Dies hat sicher viel damit zu tun, dass jetzt mehr Menschen zuhause sind oder die Zeit nutzen und viele Dinge, die in den Häusern und Wohnungen liegen geblieben waren, jetzt aktiv angehen. Positiv hat sich bis jetzt auch die Wetterlage der letzten Wochen ausgewirkt. Die Sonne hat die Menschen trotz der aktuellen Beschränkungssituation ins Freie gezogen. Gibt es doch gerade hier im Taunus viele Möglichkeiten, etwas im Freien auch unter Einhaltung dieser Regeln zu unternehmen. Das hat vielen Anbietern von Freizeitprodukten für "Outdoor-Aktivitäten" wie Wandern oder Radfahren einen starken Schub seit Wiederöffnung der Geschäfte gegeben. Besonders der Fahrrad-Handel ist wieder schnell in den Tritt gekommen. Hier konnten die Verluste der ersten "Corona-Wochen" die teils bei 60 Prozent lagen, zwischenzeitlich zum Teil sogar überkompensiert werden. Vor dem Hintergrund der speziellen Lage für den diesjährigen Sommerurlaub ist hier das Ende der Fahnenstage sicher noch nicht erreicht. Bundesweit sieht die Branche in diesem Jahr einen Umsatzanstieg von bis zu 20 Prozent. Hiervon wird auch der lokale Handel entsprechend profitieren.
Zur Lage im Einzelhandel:
Stabilisiert hat sich die Lage auch in Teilen des Einzelhandels. Hier haben bei einigen Kollegen die Investitionen in den "digitalen Verkauf" dazu geführt, dass eine Reihe an Neukunden gewonnen werden konnten. Diese waren beim Stöben im Internet oft erstmals auf stationäre Usinger Geschäfte aufmerksam geworden. Nach der Wiederöffnung der Geschäfte am 20. April sind diese Kunden oft gezielt in die Läden gekommen und haben dort darauf hingewiesen, dass man im Internet aufmerksam geworden sei, es aber schön sei, dass man wieder direkt Einkaufen könne. Von den Kunden wurde vielfach positiv angemerkt, dass man von der Angebots- und Markenvielfalt sowie die Beratungsqualität in den Geschäften mehr als angenehm überrascht war. Auch den Mut zur neuen Selbständigkeit kann Corona zum Glück nicht bremsen. So freuen wir uns in Usingen über die Neueröffnung des neuen Wein und Bierspezialitäten Geschäftes "Kron & Korken" am Alten Marktplatz.
Die Ruhe vor dem Sturm?
Ein Kollege formuliert es die Tage wie folgt: "Auf der Titanic haben sie den Zusammenstoß mit dem Eisberg auch lange ignoriert und einfach weitergetanzt. Das Ende der Geschichte dürfte jedem bekannt sein. Das Gefühl, dass da noch was nachkommt, umschleicht viele Gewerbetreibende vor Ort. Derartige Nachrichten könnten eine vermuten lassen, dass doch alles eigentlich gar nicht so schlimm sei. Das wäre aber genauso ein fataler und gefährlicher Trugschluss, wie die Annahme, dass das mit dem Virus "alles gar nicht so schlimm" wäre. Denn natürlich gibt es auch hier bei uns eine Vielzahl von Branchen und Betrieben, die bereits unter den Corona-Folgen zum Teil existenziell zu kämpfen haben. Dies gilt weiterhin für die komplette Veranstaltungsbranche, wie Eventagenturen, Werbeagenturen, Messebau, Personenbeförderungsgewerbe, Schausteller oder kulturelle Einrichtungen. Kritisch sieht es weiterhin auch trotz der nun realisierten "Teilöffnungen" des Hotel- und Gastronomiegewerbes aus. Wir dürfen nicht vergessen: "Wirtschaft, das sind wir alle" - denn weder unser exzellentes Gesundheitssystem noch unseren Wohlfahrstaat könnten wir uns als Gesellschaft ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit leisten. Eine Welle von Insolvenzen hat es coronabedingt nach Auskunft lokaler Kreditinstitute bisher sichtbar glücklicherweise noch nicht gegeben. Das bedeute aber nicht, dass die Sache bereits ausgestanden wäre.
Zu den Auswirkungen auf die Kommunen:
Die aktuelle Steuerschätzung des Bundes geht von 100 Mrd. Euro weniger Steuereinnahmen für 2020 aus. Auswirkungen wird dies auch für öffentliche Haushalte der Kommunen auch im Usinger Land haben. Hier wirken sich bereits jetzt temporär im Bereich der Gewerbesteuereinnahmen die verminderten Erträge bei den Unternehmen aus. Hier kommt es zum einen zu immer mehr verzögerten Mittelzuflüssen durch die gestellten Stundungsanträge von Unternehmen bezogen auf Nachzahlungen aus Vorjahren sowie den aktuellen Jahreszahlungen. Der Hammer wird aber noch durch die zu erwartenden Rückgänge in den kommenden ein bis zwei Jahren kommen. Nach Jahren der Konsolidierung und expansiver Ausgabenpolitik wird Corona auch zu einem neuen Denken bei den kommunalen Ausgaben führen.