47-Jähriger soll seine ehemalige Freundin nach Trinkgelage mit einem Messer verletzt haben. Doch da die Polizei nur sehr oberflächlich ermittelt hatte, reichten die Beweise...
. USINGEN (sma). Es war ein mühsamer Prozess im Frankfurter Amtsgericht gegen einen Mann, der seine Freundin bei einer Attacke mit einem Messer leicht an der Hand verletzt haben soll.
Bereits die Ermittlungen der Polizei waren laut dem vorsitzenden Richter des Schöffengerichts "eine ziemliche Katastrophe" - und die Ergebnisse entsprechend dünn. "Wir müssen hier mit dem arbeiten, was wir haben", stellte der Jurist seufzend fest - und sprach letztlich den 47 Jahre alten Angeklagten aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten mit vielen Auflagen beantragt, der Rechtsanwalt einen Freispruch. Die Frau als Nebenklägerin stellte keinen direkten Antrag.
Den Justizbehörden ist der Mann hinreichend bekannt. Beim ersten Eintrag in das Strafregister war dieser erst 16 Jahre alt gewesen; damals hatte er auch angefangen, Drogen zu nehmen und Alkohol zu trinken. Mittlerweile sind es 23 Einträge quer durch das Strafgesetzbuch vom Diebstahl bis zur Körperverletzung, alle Sanktionen inklusive mehreren Gefängnisaufenthalten nutzten nichts.
Vor einigen Jahren war er mal wieder bei einer Entgiftung gewesen und hatte dort die Usingerin kennen- und lieben gelernt, damit begann eine unheilvolle Liaison. Er zog zu ihr nach Usingen; immer wieder rief sie in den folgenden Jahren die Polizei, weil er sie geschlagen haben soll - und immer wieder zog sie bald darauf ihre Anzeige zurück.
Zwei Geschichten
Am Abend des 11. Juni 2019 kippte die Stimmung mal wieder. Er hatte - wie schon so oft - eine Therapie abgebrochen, beide tranken schon seit den Mittagsstunden reichlich Alkohol. Ungeklärt blieb in der Gerichtsverhandlung, was dann am Abend in der Wohnung geschehen war.
Er erzählte, durchaus glaubwürdig, dass er sich nach einem belanglosen Streit mit ihr habe umbringen wollen. Daher habe er ein Küchenmesser genommen und es sich an die Pulsadern gesetzt. Sie habe es ihm aus der Hand schlagen wollen und sich dabei etwas verletzt. "Dann bin ich mit dem Messer raus, weil ich mich eben töten wollte. Doch ich habe das Messer in ein Gebüsch geworfen und meine Mutter angerufen", erzählte er. Kurz darauf ließ er sich in die Psychiatrie einweisen.
Die Version seiner damaligen Freundin - ebenfalls durchaus glaubwürdig vorgebracht - hörte sich ganz anders an. Danach habe er für sie völlig überraschend plötzlich ein Küchenmesser genommen und mit den Worten "Du sagst mir gar nichts mehr, ich bringe dich um" in Richtung ihrer Brust gestochen; mit der Hand habe sie ihn abgewehrt. Dann sei er geflüchtet. Sie habe die Polizei gerufen und sei so fertig mit den Nerven gewesen, dass sie einige Zeit später ebenfalls freiwillig in eine psychiatrische Einrichtung gegangen sei.
Die Polizei hatte anfangs sogar wegen versuchter Tötung ermittelt, allerdings nur sehr oberflächlich, was nun die Arbeit der Juristen deutlich erschwerte. Auch den sehr widersprüchlichen Aussagen der Frau zum Tatort und dem genauen Geschehen wurden noch nicht einmal nachgegangen. "Ein Musterbeispiel an Polizeiarbeit", so der Richter lakonisch.
Eine weitere Besonderheit in diesem Fall: Der Angeklagte und sein mutmaßliches Opfer scheinen sich auch nach der angeblichen Messerattacke noch bestens verstanden zu haben. Dabei war auf Antrag der Frau nach der angeklagten Tat sogar eine einstweilige Verfügung erlassen worden, wonach er sich ihr nicht mehr nähern darf. Doch die beiden blieben im Kontakt. So wurden im Gericht Whatsapp-Sprachnachrichten abgespielt, in denen sie sich unter anderem über Fußballspiele austauschen - alles wirkt freundlich und ungezwungen. Und sie hat den 47-Jährigen noch mehrfach bei sich übernachten lassen. Er habe ihr eben leidgetan, begründete die Frau ihr Verhalten.
Bei der Gerichtsverhandlung war von Sympathie oder gar Mitleid allerdings nichts zu merken, die beiden ließen kaum ein gutes Haar aneinander und versicherten, ihre Beziehung sei nun endgültig vorbei. "Ich will einfach nur meine Ruhe haben", so der Mann.