Usinger Künstlerin Eva Arzt: Ein ganzes Leben der Kunst gewidmet

Ein schaffensreiches Leben: Die Künstlerin und Grafikerin Eva Arzt wird heute 90 Jahre alt.   Foto: Hammerschmied
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Die Grafikerin Eva Arzt wird 90 Jahre alt. Die Jubilarin blickt auf ein äußerst lebendiges, von Kunst und Schaffenskraft erfülltes Leben zurück.

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USINGEN. Wer kann schon von sich behaupten, dass die Arbeit im hohen Alter noch immer große Freude bereitet und glücklich macht? Auf die Malerin und Grafikerin Eva Arzt trifft das zu. Sie begeht am heutigen Freitag ihren 90. Geburtstag und in ihr steckt nach wie vor voller künstlerische Schaffenskraft. Ein Leben ohne die Kunst kann sie sich einfach nicht vorstellen. Anders als in den Jahren zuvor, wird der runde Geburtstag nicht mit einem "Tag der offenen Tür" und später dann im Kreis der Familie gefeiert. Nein, die Glückwünsche werden per Telefon oder auf dem Postweg übermittelt.

In Hameln an der Weser geboren hat die "kleine Eva" auch ihre Kindheit in der Rattenfängerstadt verbracht. In Oberstdorf im Allgäu wurde sie eingeschult. Es folgten Stationen in Frankfurt und Berlin, wohin sie ihrem Vater folgte, der ein erfolgreicher Architekt war. Er, der wie die Jubilarin sagt, leider viel zu früh verstarb, sei ihr großer Förderer und Berater gewesen. Das Ende des Zweiten Weltkrieges hat sie in Berlin erlebt. Wenig später auch den Einzug der Roten Armee, mit all den Schrecken und unvergesslichem Grauen, die dem Einmarsch folgten. Heimlich ergriff die Mutter mit ihren beiden Töchtern die Flucht Richtung Westen, tagelang zu Fuß und in überfüllten Güterwaggons. Erschöpft und halb verhungert erreichte das Trio Bad Soden-Allendorf, wo man im Haus der verstorbenen Großeltern unterkam. In der Stadt an der Werra ging sie ins Gymnasium und studierte nach dem Abitur (1950) am Institut für Modeschaffen in Frankfurt. Dem Studiengang Modezeichnen und Modewerksgrafik folgte ein Studium an der Hochschule für Bildende Kunst in Offenbach mit den Themen Freie Grafik, Illustration und Schriftgrafik (1953-1955). Noch während des Studiums habe sie bereits erste Aufträge für ein Stuttgarter Modehaus und für die "Stuttgarter Nachrichten" erhalten.

1957 startete Eva Arzt ins freie Berufsleben. Die Jubilarin blickt auf einen rasanten Aufstieg im damals boomenden Wirtschaftsaufschwung zurück. Ohne für sich Werbung zu machen sei Auftrag um Auftrag eingegangen. Neben ihren Zeichnungen für Druckereien und Veröffentlichungen arbeitete sie für Frankfurter Modehäuser und für das Schuhhaus Bally. Sogar nach Berlin wurde sie gerufen.

Nach vier Jahren scheiterte ihre erste Ehe (1960). "Eine traurige aber auch freundschaftliche Trennung. Somit war ich zum ersten Mal Alleinversorgerin." Langsam habe sie den Übergang zur Gebrauchsgrafik vollzogen. Mit Aufträgen für Illustrationen in Broschüren, Plakatgestaltung und mit ersten Begegnungen mit Werbeagenturen. In dieser Zeit habe auch ihre freie Mitarbeit in Tonbildschau-Agenturen begonnen, die sie lange ausfüllte. "Nun gehörte ich zu den vielen Künstlern, die ihr Geld in Werbeagenturen verdienten - und es gab viel zu tun", berichtet Eva Arzt, die 1961 in Künstlerkreisen Rudolf Arzt begegnete, ebenfalls Maler und Grafiker. Rudolf Arzt sei als Gebrauchsgrafiker und Maler von Aquarell- und Ölbildern durch Ausstellungen weit bekannt gewesen. "Wir begannen einige Jahre später ein gemeinsames Leben. Zwei Söhne wurden geboren. Ohne Babypause nahm das Tempo deutlich zu, aber es gelang, Familie und Beruf zu trennen", erzählt sie.

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Die junge Familie verließ die Mainmetropole und zog nach Oberreifenberg. "Unser freier Beruf erlaubte es, für Frankfurt zu arbeiten, aber in einem ruhigen, idyllischen Ort zu leben." Nach zehn Jahren lief der Mietvertrag ab, das nächste Ziel hieß Usingen. Das "Alte Forsthaus" in der Wilhelm-Martin-Dienstbach-Straße wurde zur neuen Heimat. Hier lebten Eva und Rudolf Arzt von 1976 bis 1993. Eva Arzt blickt noch einmal in das Jahr 1976 zurück: "Langsam begann ich aus der Mitarbeit in den Frankfurter Agenturen auszusteigen, Computer bestimmten mehr und mehr den Arbeitsablauf. Das war nicht mein Ding, ich wollte immer zeichnen." So bekam sie Aufträge für großformatige Kalendergestaltungen und zeichnete unzählige Weihnachtskarten. Vor etwa 40 Jahren begann die Künstlerin Lebensbilder zu malen, die überall in Deutschland, aber auch in England, Kanada und Australien ihre Besitzer fanden und erfreuen.

1987 erkrankte ihr Mann so schwer, dass dies das tragische Ende all seiner Tätigkeiten bedeutete. Mithilfe der Söhne habe sie den Schwerkranken bis zu seinem Tod (1993) gepflegt.

Nun hieß es wieder "Neubeginn" - diesmal alleine. Mit leuchtenden Augen erzählt die Jubilarin von ihrer schönsten Aufgabe: Ab Mitte der 90er Jahre malte sie über zehn Jahre verteilt in einer dreigeschossigen Gründerzeitvilla in Bad Homburg die Wände mit Szenen aus der Zeit um 1900. Die ungewohnte Größe der Figuren sei für sie eine riesige Herausforderung gewesen.

Im März 2020, gerade noch vor der Corona-Pandemie, folgte Eva Arzt einer Einladung des Lions-Clubs in das Saalburg-Restaurant. Sie sollte über ihr "künstlerisches Leben" erzählen. "Es war nicht leicht, dieses lange Dasein zusammenzufassen und darüber zu berichten." Doch so viel steht für sie fest: "Ich bin in ein buntes und interessantes Leben geraten. Es gab viele Höhepunkte und Niederlagen, wie sie überall geschehen. Aber es war und ist ein überaus reiches Leben."

Mit der Corona-Pandemie begann für alle freiberuflichen Künstler ein schwieriges Jahr. Die geplanten Auftragsarbeiten seien zusammengeschrumpft. Kontakte und Besprechungen durften und dürfen nicht sein. Über Telefon, Briefe und Skizzen gelingen nun ihre Arbeiten. Aber auch etwas Positives kann die Jubilarin dieser schweren Zeit abgewinnen: "Viele sind etwas zur Ruhe gekommen, begannen nachzudenken und haben sich entschleunigt."

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Zwei Eigenschaften habe sie in ihrem Leben schnell gelernt: Glück und Talent reichen nicht alleine aus. Viel Fleiß und Disziplin gehören dazu, etwas was man Künstlern nicht unbedingt zuspricht. "Mit allen Menschen hoffe ich auf ein Ende dieser belastenden, ungewöhnlichen Zeit. Vor allem, um alle Menschen, die ich liebe, meine Kinder, die acht Enkelkinder und Freunde wieder umarmen und mit ihnen noch ein Weilchen leben zu können", sagt die Künstlerin mit Blick auf ihren heutigen Ehrentag.