Beim Besuch des Windparks Winterstein ging es vor allem dem Initiator, dem Bündnis Winterstein, darum, die Diskussion rund um die Energielieferanten zu versachlichen.
WINTERSTEIN. Die Begehung des Windparks "Vier Fichten" bei Wächtersbach, die vom Bündnis Windpark Winterstein am Wochenende in Kooperation mit dem Landesnetzwerk der Energiegenossenschaften in Hessen organisiert worden war, stieß auf lebhaftes Interesse mit über 60 Teilnehmenden. Denn aufgrund seiner Lage mitten im Wald auf einem Bergrücken, der annähernd die Höhe des Wintersteinkamms hat, konnten die Teilnehmenden eine gute Vorstellung von einem zukünftigen Windpark auf dem Winterstein gewinnen.
Nutzen überwiegt
Das Bündnis Windpark Winterstein, das vor rund einem Jahr gegründet wurde und in dem inzwischen 29 Organisationen und Bürgergruppen zusammengeschlossen sind, wollte mit dieser Begehung einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um die Windkraft leisten. "Die oft von Gegnern verbreiteten Horrorvisionen von zubetoniertem Wald, Lärm und Naturzerstörung relativieren sich vor Ort sehr rasch. Die zwölf Windenergieanlagen sind in den Wald eingebettet und beeinträchtigen andere Funktionen des Waldes nur minimal. Der Windpark ist inzwischen geradezu eine Attraktion für Wanderer geworden. Es wird sehr deutlich, dass der Nutzen einer sauberen, CO2-freien Energiegewinnung den Eingriff in die Natur bei Weitem übertrifft", so die Einschätzung der Bündnissprecher. Der Standort Winterstein könne zudem auf eine bereits vorhandene Infrastruktur an Wegen zurückgreifen, weil sich dort das ehemalige Truppenübungsgelände befindet.
Jürgen Staab vom Landesnetzwerk der Energiegenossenschaften Hessen (LaNEG) informierte über die Entstehung des Windparks "Vier Fichten", gab allgemeine Informationen zum Windpark und beantwortete die vielen Fragen der Teilnehmenden. Erste Planungsgespräche fanden im Jahr 2012 statt und 2013/14 wurden durch die in der Region ansässige Firma "Renertec" zwölf Windenergieanlagen errichtet, wobei sieben Anlagen auf dem Gelände von Wächtersbach und fünf in Gründau stehen. Insgesamt können sie für bis zu 70 000 Menschen CO2-freien Strom produzieren. Die Teilnehmenden erfuhren zahlreiche Details, unter anderem, dass bereits nach vier Monaten Betriebszeit das bei Herstellung der Anlage entstandene CO2 wieder eingespart wurde. Obwohl Abschaltautomatiken vorhanden sind, die bei bestimmten Wetterlagen und zum Schutz von Fledermäusen die Windräder stoppen, betrage die Abschaltzeit lediglich 0,2 Prozent, erfuhren die Teilnehmenden.
Diethardt Stamm vom Energiebildungsverein forderte dazu auf, jetzt rasch in konzertiertem Vorgehen den Windpark Winterstein zu entwickeln und dabei das Bündnis Windpark Winterstein als breites Bürger-Bündnis mit einzubeziehen. Aktuell diskutiere man schon wieder in den vier betroffenen Kommunen eine sogenannte Absichtserklärung, verzögere das Verfahren durch Verschiebungen in Ausschüsse und nehme das dann sogar "aus aktuellen Gründen" wieder in Kommunalparlamenten von der Tagesordnung. Man könne zwar die Angst mancher Kommunalpolitiker vor der Bundestagswahl teilweise nachvollziehen, aber darüber habe die Verantwortung für die Bevölkerung, die Natur und das Klima zu stehen, so Stamm. Deshalb werde man direkt nach der Wahl neue Analysen zur Bebauung der Fläche auf dem Winterstein veröffentlichen und noch einmal versuchen, mit den verschieden Flächeneigentümern gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Dabei werde man auch das hessische Umweltministerium zur Vermittlung mit einbinden (der UA berichtete über die Zusage des Ministeriums, hier die Moderation zu übernehmen). Eventuell könnte der entstehende Windpark auch gänzlich oder teilweise durch ein Konglomerat von Energiegenossenschaften in Hessen finanziert und erworben werden. Hierbei könnte auch das Landesnetzwerk (LaNEG), in dem 30 Energiegenossenschaften hessenweit organisiert sind, Unterstützung leisten, so der Vorschlag des Bündnisses.
Exkursionen geplant
Dr. Werner Neumann vom BUND unterstrich die Notwendigkeit eines raschen Ausbaus der Windenergie, ohne die die notwendige Energiewende nicht zu schaffen ist. Er stellte klar, dass die Windenergie mehr von der Politik als vom Wind abhängig sei. Er erläuterte auch, dass Windkraft dem Wald hilft und nicht schadet. Nicht nur durch die CO2-Reduktion, sondern auch durch die als Ausgleichsmaßnahmen vorgenommenen Aufforstungen. "Vom tatsächlichen Flächenbedarf eines Windrades, der bei Weitem nicht so hoch ist, wie von den Gegnern immer dargestellt, kann man sich direkt vor Ort einen guten Eindruck verschaffen", lädt das Bündnis ein, sich auch unabhängig einer Führung zu informieren.
Die Teilnehmenden aber nutzten die Gelegenheit, die "Schöne Gela", das Windrad der Energiegenossenschaft Main-Kinzigtal eG, von innen zu besichtigen. Wie Geschäftsführer Stefan Heimrich erläutert, beträgt die Höhe 140 Meter und der Rotordurchmesser 112 Meter. Obwohl sie somit deutlich kleiner ist als heute errichtete Anlagen, liefert sie jährlich im Schnitt rund sechs Millionen kWh Strom, insgesamt inzwischen rund 45 Millionen kWh. Der Energiegenossenschaft Main-Kinzigtal gelang es, innerhalb von nur sechs Wochen rund 1,5 Millionen Euro als Grundstock für den Kauf des Windrades einzusammeln, das aktuell etwa 4 Prozent Rendite abwirft, wobei die Tendenz steigend ist, denn die Kreditzinsen sinken ja kontinuierlich. 130 Bürger aus den umliegenden Kommunen sind an der "Schönen Gela" beteiligt. Das Windrad befindet sich im "Pool" der zwölf Anlagen, damit Einnahmen und Risiken gleichmäßig verteilt werden. Hugo Nick, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft Main-Kinzigtal, machte auf dem Rückweg noch beiläufig darauf aufmerksam, dass seit der Errichtung der WEA der Wald viel stärker von Besuchern frequentiert werde, also dass seine Erholungsfunktion in keiner Weise beeinträchtigt wurde.
Das Bündnis Windpark Winterstein plant, weitere Windpark-Exkursionen in der Region durchzuführen. Eine Begehung des Windparks in Grävenwiesbach ist bereits in Planung und kann vielleicht noch im Oktober erfolgen. Über Aktivitäten des Bündnisses Windpark Winterstein kann man sich unter www.querstellen-friedberg.de/category/buendnis-windpark-winterstein informieren.