Die lange und wechselhafte Geschichte des heutigen Naturschutzgebietes Reinheimer Teich
Reinheim. Das Naturschutzgebiet Reinheimer Teich ist heute weit über die Region hinaus bekannt. Nicht nur wegen der Europäischen Sumpfschildkröte, sondern wegen der gesamten Artenvielfalt. Aber nur wenige wissen um die bewegte Geschichte des Gebietes, um das sich heute unter anderem der Arbeitskreis Naturschutzscheune Reinheimer Teich kümmert. Mit Hilfe von ECHO hilft! möchte der nun eine multimediale Dauerausstellung in der Scheune einrichten, um den Besuchern weiterhin die vielfältige Natur näherzubringen. Um ein Haar hätte es aber kein Naturschutzgebiet gegeben und somit gäbe es heute auch keine Naturschutzscheune. Ein Blick in die Geschichte.
Die Anfänge im 17. Jahrhundert
Das Gebiet nördlich von Reinheim wurde im Jahr 1625 vom Landgrafen Ludwig V. von Hessen-Darmstadt für 2800 Gulden von Reinheim und Spachbrücken gekauft. Mitten im 30-jährigen Krieg. Ausgebaut wurde es aber von seinem Nachfolger, Landgraf Georg II.: Er beauftragte den Teichbauer Barthol Meyer aus Gießen, der den Teich 1628 fertigstellte, wie Fritz Fornoff vom Arbeitskreis Naturschutzscheune Reinheim weiß. „Der heutige Rundweg war die damalige Begrenzung”, sagt Fornoff. Zudem entstand ein erstes einfaches Teichhaus, um den Bediensteten des Landgrafs eine Herberge zu bieten. Der nutzte das Gewässer nämlich als Privatteich, vornehmlich mit Fischzucht als Einnahmequelle: 1631 wurden 260 Zentner Fische aus dem Gewässer geholt, etwa 13 Tonnen. Eine gewaltige Menge. Einige verbrauchte der Landesfürst selbst, einige wenige wurden den Armen gegeben, die meisten aber verkauft. Es kam aber während des Glaubenskrieges immer wieder zu Verwüstungen und auch zu Verschlammungen, da der Teich im Überschwemmungsgebiet der Gersprenz lag. Der Ertrag durch die Fischwirtschaft wurde immer geringer und auf Teilen des Teichbodens wurde Heu gemacht. 1765 schließlich war am Teich nicht mehr an Fischzucht zu denken.
Heu statt Fische ab dem 18. Jahrhundert – und die Weißen Dragoner
Im Jahr 1775 wurde ein neues Teichhaus erbaut, ein richtiges Gehöft mit Stallungen und Wohnhaus. Etwas entfernt vom Gehöft wurde die 60 Meter lange und zehn Meter hohe Teichscheune gebaut, die heute noch dort steht. Das Gelände auf dem Teich wurde nun zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet. Der fruchtbare Boden dort, wo ehemals Fische schwammen, bot die idealen Voraussetzungen. Das Gras der Teichwiesen wurde unter anderem von den Weißen Dragonern in Darmstadt genutzt. „In der Teichscheune wurde das Heu gelagert und im Winter für die Pferde nach Darmstadt gebracht”, erklärt Fornoff. Um den Ertrag zu erhöhen, wurden um 1820 Bewässerungsgräben eingezogen, etwa 20 Kilometer lang.
Zurück zur Stadt Reinheim: das 20. Jahrhundert
Im Jahr 1910 kaufte die Stadt Reinheim das Gelände zurück. Ein Teil des Reinheimer Gemeindewaldes und 67.000 Mark kostete das. Nun flossen die Einnahmen aus der Pacht und aus Heuversteigerungen in die Stadtkasse. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Bewirtschaftungsform fortgesetzt, aber die Erträge wurden immer geringer. Nun wusste man nicht so richtig, was man mit dem Gelände weiter anfangen sollte: Eine Nutzung als Ackerland hätte bedeutet, es entwässern zu müssen. Ab den 60er Jahren sollte dort Industrie angesiedelt werden, aber weder MAN, Opel noch Ford hatten Interesse, sich dort anzusiedeln. 1967 wurde das Segelfluggelände eröffnet, das es heute noch gibt. Das Teichgehöft verfiel langsam, weil es nicht mehr genutzt wurde. Im Jahr 1969 schließlich wurde es dem Erdboden gleichgemacht – von der Feuerwehr Reinheim. Die brannte es zu Übungszwecken nieder. Die Scheune blieb. Der Kreisentwicklungsplan für den damaligen Kreis Dieburg sah sogar ein Erholungsgebiet mit einem See, Bootshäusern und Liegewiesen vor. Dafür fehlte aber das Geld. „Zum Glück”, sagt Fritz Fornoff heute. Schließlich setzte sich der 2018 verstorbene Langstädter Naturschützer Otto Diehl für das Areal ein. Er erreichte 1975 mit anderen die Ausweisung als Naturschutzgebiet. „Danach wurde das Areal im Inneren umgestaltet”, sagt Fornoff. Die Wasserfläche wurde etwa wiederhergestellt, Fauna und Flora änderten sich. Anfang der 2000er schließlich entstand die Naturschutzscheune.