16 Monate auf Reisen: Biebertaler stürzen sich in Abenteuer

Weihnachten und Neujahr unter der Wüstensonne im Oman. Während des Ramadans mit defektem Fahrzeug mitten in Saudi-Arabien, Einkaufsbummel in den Bazaren irgendwo auf dem Land im Irak und im Iran: Fast 34.000 Kilometer haben Ellen und Sebastian Scherer zurückgelegt, waren in 16 Ländern unterwegs auf ihrer Tour in den nahen und mittleren Osten. Nun kehren sie nach Königsberg zurück.
© Sebastian Scherer

34.000 Kilometer sind die ehemaligen Wetzlarer Ellen und Sebastian Scherer mit ihrem Reisemobil unterwegs gewesen. Im Oman, Kuwait oder im Iran. Das ist ihre Geschichte.

Anzeige

Biebertal/Wetzlar. Das ist ein Abenteuer, das nur wenige Menschen erleben. In diesen Tagen kehren Ellen und Sebastian Scherer von einer rund 16 Monate währenden Reise über den Balkan und die Türkei in den Irak und den Iran sowie auf die arabische Halbinsel nach Königsberg zurück.

Kein „Orient-Express“. Die beiden haben sich Zeit gelassen, um die Länder und die Menschen dort kennenzulernen – um zu sehen, zu riechen, zu fühlen und zu schmecken, wie das Leben in diesen Teilen der Welt ist. Wie aber kommt man zu einem solchen Trip?

Corona gibt den Ausschlag

Gereist sind die beiden, die früher in Wetzlar gelebt haben, in den vergangenen Jahren schon immer gerne, waren unter anderem in Asien und Mittelamerika. Zumeist mit dem Rucksack unterwegs, erlebten sie spannende Abenteuer. „Wir tauchten in völlig unbekannte Welten ein und begegneten wunderbaren Menschen“, berichtet der 43-jährige Scherer. Und seine zwei Jahre jüngere Frau ergänzt: „Das Ende jeder dieser Reisen stimmte uns wehmütig und befeuerte zugleich zunehmend den Wunsch und die Sehnsucht nach einer längeren Reise ohne Zeitdruck.“

Anzeige

Da reicht dann der Rucksack allein nicht mehr aus. So wurde die Idee mit dem Reisemobil geboren, um flexibel und bei Bedarf zudem für eine gewisse Zeit autark zu sein. Eine dreiwöchige Reise durch Gebirge und Wüsten des Oman im März 2019 mit einem Toyota Land Cruiser und Dachzelt prägte zudem nachhaltig. Die beiden sprechen von ihrer ganz persönlichen „4x4-Camping-Initialzündung“. Letztlich gab Corona den Ausschlag, das „Projekt Fernreise“ zügig anzugehen.

Jobs gekündigt, Reisemobil ausgebaut

Scherer, gelernter Maschinenbau-Konstrukteur und studierter Ingenieur, arbeitete in den sieben Jahren vor der Reise als Projektleiter für Flugzeugküchen, bei einem Hersteller in Herborn. Als Flieger am Boden blieben, die Pandemie auch dieses Unternehmen traf, da war der Zeitpunkt gekommen. Er wie auch seine Frau Ellen kündigten die Jobs und intensivierten den unterm Strich zwei Jahre währenden Um- und Ausbau ihres Allrad-Lkw zum Reisemobil.

Die Basis bildete ein Mercedes Vario 4x4, ein ehemaliges Kommunalfahrzeug. Zupass kam Sebastian Scherer dabei seine berufliche Erfahrung mit Materialien wie Aluminium und GfK, um das Fahrzeug so leicht wie möglich zu halten – gerade beim Fahren auf Sand in der Wüste zählt jedes Kilogramm Gewicht, das nicht mitgeschleppt werden muss. Voll des Lobs ist er zudem über den Spezialisten aus Fulda, der half, den Koffer-Aufbau leicht und stabil zu gestalten. „Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich alles wieder genau so machen würde“, sagt Scherer.

Wind und Sand haben bizarre Felsformationen in der Wüste geformt. Mit ihrem Allrad-Lkw, den Ellen und Sebastian Scherer zum Wohnmobil umgebaut haben, haben sie auch diese Landschaft durchquert.
Wind und Sand haben bizarre Felsformationen in der Wüste geformt. Mit ihrem Allrad-Lkw, den Ellen und Sebastian Scherer zum Wohnmobil umgebaut haben, haben sie auch diese Landschaft durchquert.
© Sebastian Scherer
Anzeige

Im Mai 2022 dann endlich der Aufbruch. Über den Balkan, die Türkei und den Kaukasus gelangte das Paar in den Iran, durchquerte den Irak und reiste durch Kuwait und Saudi-Arabien bis in den Oman, wo man den Jahreswechsel verbrachte. Die Rückreise führte über Jordanien wieder in den Irak und anschließend erneut in den Iran. Das Land hat die beiden Weltenbummler so sehr fasziniert, dass letztlich die Idee verschoben wurde, auf der Rückreise doch noch intensiver den Balkan zu erkunden. Doch die Zeit ist begrenzt. In wenigen Tagen wollen sie wieder in Königsberg sein. Denn Ellen Scherer will ab Oktober ihre für die Fernreise unterbrochene berufliche Zusatzqualifikation wieder aufnehmen.

Nur eine eingewachsene Wimper bereitet Probleme

Läuft eine solche Tour ganz ohne Pannen ab? Wohl kaum. Wenngleich die beiden Fernreisenden von ernsthaften gesundheitlichen Problematiken verschont blieben. Bis auf eine eingewachsene Wimper, die bei Sebastian Scherer eine Weile für eine ständige Augenreizung sorgte, gab es keine Probleme. Und auch die Wimper wurde schließlich nach mehrfachen Arztbesuchen entdeckt und entfernt.

Die akribische Vorbereitung hat sich gelohnt und bezahlt gemacht, sagen Sebastian und Ellen Scherer rückblickend. Denn gerade Etappen jenseits der befestigten Straßen, insbesondere durch Wüstengebiete, verlangen dem Material viel ab. „Das Auto hat mit viel Zuwendung durchgehalten“, freut sich das Duo. Und immer wieder fanden sich hilfsbereite Menschen.

Als etwa in Saudi-Arabien die Achsschenkelbolzen vorne erneuert werden mussten, da war gerade Ramadan. Tagsüber ruhte die Arbeit. Original-Ersatz war auf die Schnelle zudem nicht zu bekommen. Ergo wurden die Teile in den Nachtstunden in einer Dreherei nachgefertigt und eingebaut. Gleichwohl war mit einem Mercedes die richtige Wahl getroffen: Der Stern auf der Haube sei bei der Ersatzteilbeschaffung ungemein hilfreich, sagt Scherer. So war eine defekte Dieselpumpe in einer kleinen Werkstatt im Oman sofort verfügbar.

„Von Anfang bis Ende ein Abenteuer“

Und ansonsten war stets Verlass auf die hilfreiche Reisemobil-Community, die unter anderem via WhatsApp kommuniziert. Ist was kaputt, dann weiß schnell jemand Rat – und wenn es nur mit der Übermittlung der Original-Teilenummer ist, die dann bei der Beschaffung weiterhilft. Selbst dass der Kühlschrank an Bord gleich mehrfach von Defekten geplagt war – immer gerade dann, wenn frisch mit Einkäufen vollgepackt –, zählt zu den Erlebnissen, die sich letztlich meistern ließen: Etwa mit Unterstützung anderer Reisender, die verderbliche Lebensmittel bei sich zwischenlagerten, bis die Reparatur gelungen war. „Von Anfang bis Ende ein Abenteuer“, sagt Ellen Scherer. Und schiebt sogleich nach: „Aber bei allen Herausforderungen eine wahnsinnig bereichernde Zeit. Wir wollen keine Minute davon missen“.

Die beiden Orient-Reisenden kehren mit reichlich Erfahrungen und Erinnerungen zurück, und mit übervollen Speicherchips der Kameras. „Wir haben gigaweise Film- und Fotomaterial“, sagt Scherer. Es dürfte Wochen dauern, das alles zu sichten und in Form zu bringen. Aber mehr noch als Fotos und Videos dürfte das wiegen, was sie nach den rund 16 Monaten in ihren Köpfen und Herzen tragen.