Anneröder Landwirte kritisieren Pläne für Gewerbegebiet

Weil die Gewerbeflächen in Fernwald erschöpft sind, soll östlich der Großen-Busecker Straße in Annerod ein neues Gebiet geschaffen werden. Von den örtlichen Landwirten kommt Kritik. Foto: Chabrié

Entlang der Großen-Busecker Straße soll ein neues Gewerbegebiet entstehen. Das sehen nicht nur Grüne und CDU kritisch.

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. Annerod (ebp/red). Wer als Gewerbetreibender derzeit ein freies Grundstück in der Gemeinde Fernwald sucht, schaut in die Röhre. Denn die vorhandenen Gewerbeflächen sind entweder allesamt bereits bebaut oder werden von örtlichen Betrieben für eine spätere Erweiterung aufgehoben. Die Gemeinde hat daher einen Antrag auf Abweichung vom Regionalplan gestellt: In Annerod sollen östlich der Großen-Busecker Straße weitere Flächen ausgewiesen werden, angrenzend an das bereits bestehende Gewerbegebiet. Auf 7,3 Hektar sollen hier ein Gewerbe- und ein Mischgebiet entstehen. Das sorgt für Unmut bei den Bauern, denn derzeit wird hier noch Landwirtschaft betrieben. Darauf verwies auch Matthias Klose (CDU) in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses. "Das ist eine weitere große Fläche, die versiegelt wird und der Landwirtschaft verloren geht. Nach uns kommt auch noch eine Generation."

Im Bauausschuss stand der Bereich "Haaracker / Im Himberg" gleich zweimal auf der Tagesordnung: Es ging sowohl um die Änderung des Flächennutzungsplanes (7,3 Hektar), als auch um den Aufstellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt (2,8 Hektar). Klose stellte einen Änderungsantrag, wonach die Flächennutzungsplanänderung auf eben diese 2,8 Hektar beschränkt werden solle. Es sei wichtig, ortsansässigen Unternehmen Erweiterungsmöglichkeiten zu bieten, betonte er. Die Verringerung solle jedoch "klar machen, dass eine Grenze erreicht ist".

Auch Grünen-Fraktionsvorsitzender Bernd Voigt äußerte Kritik. Bei der Fläche handle es sich um ein Anneröder "Naherholungsgebiet". Nach dem Tempo der vergangenen Jahre müsse man nun langsamer machen. "Wir dürfen nicht alles plattmachen, was an Landwirtschaft noch übrig ist."

Bürgermeister Stefan Bechthold (SPD) zeigte sich verwundert über die Haltung der Christdemokraten. Schließlich habe man im Mai 2018 den Antrag auf Abweichung vom Regionalplan mitgetragen. "Ob und wann" die übrigen Hektar für Gewerbe genutzt werden, sei abhängig davon "wer kommen möchte". Ortsansässige Unternehmen hätten bereits Interesse angemeldet, die schrittweise Entwicklung sei "nachhaltig".

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Es sei "unabdingbar, dass für ortsansässige Betriebe Flächen geschaffen werden", argumentierte Stefan Becker (Freie Wähler) und mutmaßte, dass die CDU angesichts der im März stattfindenden Kommunalwahl bereits im Wahlkampfmodus sei. Peter Steil (FDP) bewertete das Interesse lokaler Betriebe als "gutes Zeichen" und sprach sich ebenfalls für die beiden Vorlagen aus.

Julian Adler (Planungsbüro Fischer) gab zu bedenken, dass es sich um eine Richtungsentscheidung handle. "Sie können reagieren, müssen aber nicht. So lange nicht entwickelt wird, findet dort weiter Landwirtschaft statt." Generell sei es günstiger, Gewerbeflächen zu bündeln und nicht an mehreren Orten verteilt auszuweisen. Sowohl der Bau- als auch der Haupt- und Finanzausschuss sprachen sich mehrheitlich für die Vorlagen aus. Die Gemeindevertretung entscheidet in der kommenden Woche.

Die Ortsgruppe Annerod des hessischen Bauernverbandes wirbt nun in einer Pressemitteilung für eine nachhaltige Flächennutzung. In Zeiten des Baubooms herrsche bei vielen die Meinung vor "Boden gibt es genug", man könne ihn wie jede beliebige Ware kaufen und verkaufen. "Das ist ein Trugschluss: Grund und Boden ist keine beliebige Ware. Unser Boden hat viele Funktionen und ist viel mehr als nur der Untergrund, auf dem wir gehen, liegen, fahren. Er ist Lebensraum, Wasserspeicher, Wasserfilter und der größte CO2-Speicher der Welt. Seine Aufgaben sind vielfältig. Ohne ihn würde unser Ökosystem nicht funktionieren. Er ist die Grundlage für unsere Ernährung und damit im wahrsten Sinne des Wortes die Basis der menschlichen Existenz", gibt Bernd Schäfer, Landwirt in Annerod zu bedenken.

Die Versiegelung durch Wohn- und Gewerbegebiete nehme rasant zu, der versiegelte Boden könne seine vielfältigen Aufgaben nicht mehr erfüllen. "Langfristiges Denken und Handeln steht nicht mehr im Mittelpunkt. Das Prinzip, nachfolgenden Generationen den Boden mit all seinen Funktionen zu erhalten, wird immer mehr über Bord geworfen. Regionalität, Nachhaltigkeit und Weitsicht werden zu Worthülsen", kritisiert Arno Schäfer, ebenfalls Landwirt in Annerod.

In Fernwald sei der Flächenverbrauch im vergangenen Jahrzehnt besonders groß gewesen, heißt es weiter in der Pressemitteilung. Die Gemeinde zählte laut der hessischen Gemeindestatistik bereits im Jahr 2018 zum oberen Drittel mit den meisten Siedlungs- und Verkehrsflächen. 2018 wurde 21,8 Prozent der Gemeindefläche für Siedlung und Verkehr genutzt. "Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen", fordert der Anneröder Landwirt Karl-Heinz Schäfer. Die Ausweisung eines Gewerbegebietes im Anschluss an das bestehende Gebiet "In der Brennhaar" werde man nicht mittragen. "Wir appellieren an die Weitsicht und Verantwortung unserer Kommunalpolitiker, diesen Weg zu verlassen und Nachhaltigkeit für Grund und Boden wieder in Vordergrund zu stellen", so Schäfer.