„Angst vor einer zweiten Welle“ in Gießen

Mit solchen Schildern macht die Stadt in der Innenstadt die Mundschutz- und Abstandspflichten präsent. Foto: Scholz
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Die Stadt Gießen weist in der Innenstadt mit Schildern auf die Masken- und Abstandspflicht hin. Das BID Seltersweg sorgt sich wegen des „hohen Flanieranteils“.

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GIESSEN. GIESSEN. Seit Montag gilt auch in Gießen die Maskenpflicht in Geschäften, Banken, Postfilialen und im Öffentlichen Personennahverkehr. Um Besucher auf die Verpflichtung hinzuweisen, hat die Stadt jetzt Schilder an den Zugängen zur Innenstadt angebracht. Sie verweisen auch auf die einzuhaltenden Mindestabstände. „Vieles wie die Einführung dieser neuen Regel läuft aktuell sehr kurzfristig. Aber wir haben auch die Schilder in der Zusammenarbeit von Wirtschaftsförderung, Ordnungsamt und Tiefbauamt sehr kurzfristig hinbekommen“, sagt Bürgermeister Peter Neidel am Montag bei der Präsentation der neuen Tafeln. Markus Pfeffer, Geschäftsführer des BID Seltersweg, sorgt sich dagegen, dass derzeit zu viele Menschen in der Innenstadt flanierten.

Im öffentlichen Raum

Bereits am Montagmorgen ist die Schutzmaske definitiv im Stadtbild angekommen. Abgesehen von wirklich seltenen Einzelfällen ist der Mundschutz in den Bussen und Bahnen omnipräsent. Und auch in Seltersweg und Nebenlagen trägt man Maske, rein augenscheinlich sind gut 30 Prozent der Passanten selbst außerhalb der Geschäfte mit dem Schutz unterwegs. Geht es nach Handel und Stadtverwaltung, dann soll sich dieses Bild noch weiter ändern. Denn neben einem Hinweis auf die Pflicht zum Tragen der Masken äußert Neidel ganz klar den Wunsch und die Bitte, dass Passanten „sie auch im öffentlichen Raum tragen. Dazu besteht zwar keine Pflicht, aber es kann sinnvoll sein.“ Fachleute verwiesen zudem darauf, dass das permanente Aufziehen und Ablegen der Maske unter hygienischen Aspekten ohnehin ungünstig sei. Optimal wäre es aus Sicht des Bürgermeisters daher, mit aufgesetztem Schutz das Haus zu verlassen und ihn erst nach der Rückkehr vom Einkauf wieder abzunehmen. „Eine Verpflichtung im Straßenraum finde ich aber problematisch. Denn dann müssten wir flächendeckend darauf hinweisen, die Einhaltung kontrollieren und Verstöße sanktionieren“, so der Unionspolitiker. Nach seiner Meinung sei der Schutz aber auch dann unter freiem Himmel sinnvoll, wenn beispielsweise am Wochenende beim Spaziergang an der Lahn viel los ist oder im Seltersweg eine hohe Besucherfrequenz zu verzeichnen ist. Die Umsetzung der in den Geschäften gültigen Regelungen überprüfe man stichprobenartig. „Wir sind in einer sehr engen Abstimmung mit dem Handel und verfolgen das gleiche Ziel. Wir wollen, dass die Geschäfte dauerhaft geöffnet bleiben und dass nicht durch eine mögliche zweite Welle wieder Schließungen von Geschäften drohen“, bilanziert Neidel.

Genau solche Schließungen seien aktuell eines der größten Angstszenarien, bestätigt Pfeffer. Er beobachte derzeit viele Menschen in der Innenstadt, die Laisser-faire betrieben, und einen „hohen Flanieranteil“. Pfeffer betont, dass man sich freut „über jeden Besucher. Wir möchten aber die Aufenthaltsqualität im Moment so weit runterfahren, dass keine Leute auf den Bänken sitzen.“ Die Fußgängerzone dürfe jetzt nur der Versorgung dienen. „Wir haben sehr große Angst vor einer zweiten Welle, die uns überrollen wird, wenn wir jetzt nicht vernünftig sind. Sie könnte Einschränkungen oder das Aus für das Weihnachtsgeschäft bedeuten“, hebt der BID-Geschäftsführer hervor.

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Mitarbeiter in Sorge

Zudem hätten auch viele Mitarbeiter in den Läden Angst. Der Geschäftsführer nennt das Beispiel von Bekleidungsanproben. Kunden, die die Masken mehrfach auf- und absetzten und dabei möglicherweise die Innenseite berühren, fassten anschließend Textilien in den Geschäften an. „Es wäre deshalb schön, wenn die Bürger die Masken auch außerhalb der Geschäfte tragen“, resümiert Pfeffer.

Die zehn städtischen Hinweisschilder auf Masken- und Abstandspflicht habe man an allen zentralen Zugängen zur Innenstadt angebracht, berichtet Dirk Drebes, Abteilungsleiter im städtischen Ordnungsamt. Bei der Überwachung der neuen Pflicht setze die Behörde nicht in erster Linie auf Sanktion. „Wir haben alle Kräfte zusammengezogen, um zu informieren und um Verständnis zu werben“, erklärt Drebes. Allerdings habe das Ordnungsamt auch die Möglichkeit, Verwarn- und Bußgelder in einer Spanne zwischen 50 und 200 Euro zu verhängen. Es gehe aber nicht um Einnahmen, sondern um die Einhaltung der Regeln.