
Der Startschuss für den Umbau ist gefallen. Das von Kritikern befürchtete Chaos ist ausgeblieben. Das muss jetzt beachtet werden.
Gießen. Der Startschuss ist gefallen: Am Montagmorgen haben die Umbauarbeiten für den ersten Abschnitt des Verkehrsversuchs begonnen. Für die kommenden drei Wochen stehen die beiden inneren Spuren des Anlagenrings für den Verkehr nicht zur Verfügung. Wie würde sich das auf den Berufsverkehr auswirken? Das war die spannende Frage. Bereits am Sonntag hat derweil die CDU in sozialen Netzwerken eine Kampagne gegen den Verkehrsversuch auf den Weg gebracht. „Die grünlinke Mehrheit hat beschlossen, den innerstädtischen Anlagenring größtenteils zu sperren. Die Erreichbarkeit der Innenstadt wird damit massiv eingeschränkt“, monieren die Christdemokraten.
Montag um 7 Uhr am John-F.-Kennedy-Platz: Wer von der Marburger Straße kommt, kann hier gewöhnlich über die Ostanlage in Richtung Rathaus fahren. Das geht nun nicht mehr: Die beiden inneren Spuren der Straße sind gesperrt, während der Gegenverkehr auf den äußeren Spuren ganz normal fließt. Doch trotz der Einschränkung kommt es am Kennedy-Platz keinesfalls zu langen Rückstaus. Der Verkehr fließt zügig ab. Und auch auf der Umleitungsstrecke Ringallee ist wenig los. Der umgeleitete Linienverkehr fährt wie geplant. Das eine oder andere Auto ist unterwegs. Würde das an der Kreuzung Moltkestraße/Grünberger Straße auch so sein? Am Montag um 7.43 Uhr ist es das. Phasenweise ist kein Auto auf der Moltkestraße unterwegs. Und der Verkehr fließt an der Kreuzung ruhig und zügig ab.
Stau und stockender Verkehr bleiben erst einmal aus
Wer sich zu dieser Zeit im Bereich der Nordanlage aufhält, könnte den Eindruck gewinnen, dass die Stadt ihre Pläne nochmal nach hinten verschoben hat. Stau? Stockender Verkehr? Davon ist auf Höhe der Kreuzung zur Dammstraße nichts zu sehen. Noch kann man auch problemlos von der Rodheimer Straße kommend über die Nordanlage in Richtung Marburger Straße fahren. Mit dem zweiten Bauabschnitt wird das nicht mehr möglich sein.
Apropos Marburger Straße: Hier staut sich der Verkehr am Morgen bis zur Kreuzung Schwarzlachweg - ein Anblick, der vielen Autofahrern aber spätestens seit den Baustellen in der Nordanlage bekannt vorkommen dürfte.
8.21 Uhr an der Kreuzung Nordanlage/Asterweg: Wer bis dahin noch nichts von der Sperrung mitbekommen hat, merkt es jetzt: Zwischen den Bäumen an der Agentur für Arbeit kann man von Weitem das Umleitungsschild erspähen: „Ostanlage gesperrt!“. Kurzzeitig ist hier erstmal kein Weiterkommen, denn die Ampeln an der Ecke Nordanlage/Ostanlage zeigen rot. Während der Rotphase staut es sich bis zum Asterweg, aber auch hier bleibt das Chaos aus - abgesehen von einem Lkw und einem Baustellenfahrzeug, die Kreuzung und Fußgängerüberweg blockieren.
Gießens Bürgermeister ist erleichtert
Bürgermeister Alexander Wright, der gerade an der Nordanlage ein Fernsehinterview gibt, ist sichtlich erleichtert, dass das befürchtete Chaos ausgeblieben ist: „Das haben wir auch nicht erwartet, aber im Vorfeld sicherheitshalber verschiedene Notfallmaßnahmen durchgespielt, falls es doch irgendwo eng werden würde.“ Doch alle Notfallpläne können an diesem überraschend ruhigen Morgen in der Schublade gelassen werden. Nur ein BMW-Fahrer hupt wütend, als er den grünen Bürgermeister erkennt - auch eine Art, den Verkehrsversuch zu kommentieren.
Eine stichprobenartige Umfrage im Gießener Handel gibt am Tag eins der Verkehrs-Zeitenwende kein einheitliches Bild. Während viele Verkäufer keinen Unterschied zu anderen Montagen erkennen können, beklagen etliche andere aber auch einen spürbaren Rückgang an Laufkundschaft. „Es ist deutlich ruhiger“, meint eine Verkäuferin bei Fuhr. Auch Swetlana Maas, Filialleiterin des Bekleidungsgeschäfts „Blue Velvet“, konstatiert: „Heute ist wenig los.« Allerdings sei der Samstag sehr umsatzstark gewesen. »Vielleicht sind die Leute noch einmal schnell in die Stadt, bevor alles losgeht“, vermutet die junge Frau.
CDU sorgt sich um Gießener Handwerker
In ihrer Kampagne fürchtet die CDU, dass sich Arbeitnehmer, Handwerker und Besucher der Stadt auf „deutlich längere Fahrzeiten“ einstellen müssten. Der Verkehr solle auf den beiden äußeren Fahrspuren »zusammengestaucht« werden. Wörtlich heißt es zudem: „Die Kosten liegen nach offiziellen Angaben bei mindestens 1,7 Millionen Euro. Externe Schätzungen belaufen sich auf ein Vielfaches. Geld, das die Stadt eigentlich nicht hat. Geld, das dringend bei der Sanierung von Schulen und zum Beispiel der Gießener Osthalle benötigt wird.“ Der Text wird unter anderem von den Landtagskandidaten Frederik Bouffier und Lucas Schmitz verbreitet. Bis zum Montagnachmittag hatten bereits 3690 Menschen unterzeichnet.
Von Eva Pfeiffer, Ingo Berghöfer und Stephan Scholz