Die Fraktionen "Gießener Linke" und "Piraten/Bürgerliste" sowie "Gießen gemeinsam gestalten (Gigg)" kritisieren die Arbeit des Akteneinsichtsausschusses zum Bahndammdurchstich.
GIESSEN. Zwar ist der Akteneinsichtsausschuss beendet. Das Kapitel Bahndammdurchstich in der Dammstraße ist es allerdings noch nicht. Auch wenn Berichterstatter Gerhard Merz von der SPD keinen Zweifel daran hat, dass "dem Ausschuss alle zur sorgfältigen Erfüllung seines Auftrages notwendigen Unterlagen zur Verfügung standen und dass ausreichend Zeit für deren Prüfung gegeben war. Hinweise auf sach- oder gar rechtswidriges Verhalten der Verwaltung und/oder des Magistrats in Fragen der Planung, Vergabe und Durchführung der Maßnahme und im Hinblick auf die Unterrichtung der Öffentlichkeit haben sich nach Überzeugung des Berichterstatters nicht ergeben." Die antragstellenden Fraktionen "Gießener Linke" und "Piraten/Bürgerliste" sind anderer Auffassung. "Wegen fehlender Unterlagen ist der Ausschuss gescheitert. Seinen Auftrag konnte er nicht erfüllen", monieren Michael Janitzki von den "Linken" und "Pirat" Thomas Jochimsthal. Und auch "Gießen gemeinsam gestalten (Gigg)" übt Kritik am Akteneinsichtsausschuss.
"Beim Studium der Akten in der Verwaltung stellten die Unterzeichner bald fest, dass Unterlagen fehlen. Der Stadtverordnete Janitzki beanstandete am 16. November in einem Schreiben an den Ausschussvorsitzenden, dass die den Bahndurchstich betreffenenden Akten offensichtlich nicht vollständig vorgelegt worden seien. Als Beispiel für fehlende Unterlagen hatte er den Schriftverkehr von 2012 bis 2015 des Amtes genannt, eine Kostenschätzung der DB und den internen Schriftverkehr zwischen Tiefbauamt und Kämmerei", erklären Janitzki und Jochimsthal. Deutlich wenden sich beide gegen eine Formulierung von Merz, der in seinem Abschlussbericht erläutert, dass mit Janitzkis Schreiben vom 16. November Akten nachgefordert worden seien, und das Schreiben damit umgedeutet habe.
"Sämtliche Akten"
"Es kann nicht sein, dass die Verwaltung einem Akteneinsichtsausschuss nur eine Auswahl der den Vorgang betreffenden Unterlagen vorlegt und nach Wunsch weitere nachliefert. Es muss selbstverständliche Aufgabe der Verwaltung sein, von Anfang an sämtliche Akten vorzulegen, allemal, da dieses auch bei der Einrichtung des Ausschusses von der zuständigen Dezernentin selbst betont und zugesichert wurde", machen Jochimsthal und Janitzki deutlich. Offensichtlich als Reaktion auf die Beanstandung habe das Tiefbauamt noch im November die Aktenordner um einen Schnellhefter mit Mails aus den Jahren 2014 und 2015 ergänzt. "Dies haben die Unterzeichner im Ausschuss als weiteren Beleg dafür bezeichnet, dass die zuvor vorgelegten Unterlagen nicht vollständig waren", informieren die Stadtverordneten. Bei seinen Vorbereitungen auf die Ausschusssitzung am 8. Februar habe Janitzki am 2. Februar festgestellt, dass sich die Anzahl der Aktenordner von 16 auf 17 erhöht habe. Er habe zwei neue Ordner gefunden, während ein anderer gefehlt habe. Weiterhin berichtet Janitzki von seiner Feststellung, dass sich der Inhalt des Schnellhefters im Februar stark verändert habe. Die Antragsteller stellen fest: "Weder die im November vorgelegten Ordner noch die im Februar vorgelegten waren vollständig."
Nach Vorstellung der Antragsteller hätte der Ausschuss den Widerspruch zwischen den im ersten Kommunalen Investitionsprogramm (KIP) Ende 2015 angegebenen Kosten für den Durchstich von rund zwei Millionen Euro und den zur gleichen Zeit im Haushalt verfügbar gemachten drei Millionen Euro klären sollen. Die Stadtverordnetenversammlung habe am selben Tag über beide Vorlagen entschieden. Auch die Frage, warum die Kämmerei noch im Juni 2016 für das zweite KIP die Zahl von zwei Millionen Euro verwendete, hätte der Ausschuss aufklären sollen. Berichterstatter Merz lenke "vom eigentlichen Problem ab, nämlich dass der Magistrat falsch über die Kosten des Bahndurchstichs informiert hatte. Er lenkt davon ab, weil er sich nur mit der Randbemerkung beschäftigt, dass die Bereitstellung von mehr Mitteln 'unbemerkt von der Öffentlichkeit' geschehen sei", so Janitzki und Jochimsthal. Die Unterzeichner resümieren, dass sie ausreichend nachgewiesen hätten, dass die dem Ausschuss vorgelegten Akten nicht vollständig gewesen sein konnten. Die Erklärung Weigel-Greilichs, dass es in ihrem Haus keine Akten gebe, die dem Ausschuss nicht vorgelegt worden seien, könne aus Sicht der Antragsteller kein Beweis des Gegenteils sein, zumal "eine mögliche Befangenheit der Dezernentin, deren Arbeit der Ausschuss auch prüfen sollte, nicht auszuschließen ist", resümieren die beiden Stadtverordneten.
"Gigg" kritisiert die Formulierung von Berichterstatter Gerhard Merz, dass dem Ausschuss alle zur sorgfältigen Erfüllung seines Auftrags notwendigen Unterlagen vorgelegt worden seien. "Als interessierter Bürger würde man doch vermuten, dass es darum gehen muss, alle Akten zur Verfügung zu stellen. Sonst wäre es ja Aufgabe der Verwaltung und der verantwortlichen Dezernentin, das heißt also genau derjenigen, deren Handlung kontrolliert werden soll, zu entscheiden, welche Akten zur sorgfältigen Erfüllung des Auftrags notwendig sind und welche nicht", teilt "Gigg" mit.
In derselben Weise bewertet die Gruppe, dass Merz Dezernentin Weigel-Greilich als Hauptzeugin dafür heranziehe, dass die Akten vollständig seien. "Mit anderen Worten: Diejenige, um deren vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten es in diesem Vorgang auch geht (zumindest ist Frau Weigel-Greilich die oberste Verantwortliche für den Bahndammdurchstich) wird gleichzeitig als Kronzeugin benannt und ihre Aussagen als 'Beweis' dafür herangezogen, dass alles seine Richtigkeit habe, wohl wissend, dass eine andere Wahrheit in diesem Vorgang nicht mehr an die Öffentlichkeit kommen kann, weil niemand außerhalb der Verwaltung jemals wieder diese Akten einsehen kann", resümiert "Gigg".