Corona-Kidz in Gießen: Die Krise im Bilderbuch erklärt

Bei "Wilma Wochenwurm" wird Wissen über Viren und Impfungen vermittelt. Corona-Leugner haben sich online vor allem auf "Conni" eingeschossen. Foto: Mosel
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Schon den Kleinsten wird in altersgerechten Büchern nähergebracht, was in der Pandemie wichtig ist. Doch die Geschichten stoßen teils auf massive Kritik.

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GIESSEN. Ja, hier kommt Conni. Alle lieben Conni. Vor allem Eltern von Kleinkindern werden nun direkt eine duselige Melodie im Kopf und ein kleines Mädchen vor Augen haben. Blondes, rotgeschleiftes Haar, Ringelshirt, leere Augen: Das ist Conni. Die selbst ernannte "Freundin" unserer Kinder. Aber: Conni nervt. Sie kann alles, weiß alles (besser) und ist überall die Beste. Und wenn nicht, ist das natürlich niemals Connis Schuld, sondern die der Anderen, die sie geschubst, aus dem Konzept gebracht oder sonst wie am Perfekt-Sein gehindert haben. Kurzum: Conni ist unsympathisch. Wir wollen eigentlich nicht, dass dieses Mädchen die Freundin unserer Kinder ist und dennoch drängt sie sich über zahllose Bücher in die Kinderzimmer, flimmert über Fernseher und neuerdings sogar Kinoleinwände. Vor Conni gibt es kein Entrinnen - auch nicht während der Corona-Pandemie. Ich könnte hier zahllose Gründe aufführen, warum man dieses übertrieben talentierte, neunmalkluge und immer unschuldige Mädchen einfach nicht mögen kann. Die "Querdenker"-Szene hat nun aber ihre ganz eigenen Argumente gefunden - und breitet diese in der Bewertungsspalte eines Online-Versandriesen hemmungslos aus.

Conni kann alles

Die Geschichten rund um die absolut makellose Conni sind auch bei meinem Fünfjährigen beliebt. Leider. Der Graus: Zu nahezu jedem Thema, das kindliches Interesse weckt, zu jedem möglichen Hobby, jedem Meilenstein, sogar jeder Jahreszeit wird das passende Büchlein auf den Markt geschmissen. Conni verliert 'nen Wackelzahn, übernachtet bei einer Freundin, kommt in die Schule, verreist an die Nordsee, nach Berlin, Italien und Kreta, lernt reiten, turnen, Ballett, singen, tanzen, kochen und die Uhr. Am besten alles auf einmal. Wow, was für ein Programm! Aber irgendwann hat man ja alles mal durch. Die Pandemie lieferte Autorin und Verlag dann wohl geradezu eine Steilvorlage für eine "Conni-Geschichte mit kindgerechtem Sachwissen".

Auch im Bücherregal des Fünfjährigen ist während der zweiten Welle "Conni macht Mut in Zeiten von Corona" eingezogen. Trotz meiner persönlichen Abneigung zur Protagonistin hielt ich es für eine gute Idee, meinem Sohn so zu zeigen, dass das Virus eben alle betrifft, auch die immer perfekte Conni. Und tatsächlich bringt das Büchlein, das keine richtige Geschichte, sondern eher eine Aneinanderreihung von Erklärungen und Regeln ist, das auch rüber. Conni darf nicht mehr in den Kindergarten, muss beim Einkaufen Maske tragen und zu Hause leise sein, wenn die Eltern arbeiten. Oma und Opa können nur noch via Skype getroffen werden und am Ende steht die Message, dass Solidarität und das Einhalten der Maßnahmen wichtig sind, damit der ganze Mist aufhört. Eine durchaus wichtige Botschaft, wie ich finde, auch wenn Fragen bleiben. Wie schafft es zum Beispiel Connis Mutter Annette - ihres Zeichens Kinderärztin und eine Art Universalgelehrte, stets mit passender Antwort auf sämtliche Fragen, nie gestresst und mit bewundernswerter (weil real niemals zu erreichender) Geduld gesegnet - während einer Pandemie ernsthaft im Homeoffice zu arbeiten? Vermutlich sind die Superkräfte in dieser Familie einfach besonders inflationär verteilt worden. Ganz andere Kritikpunkte an dem Buch, das bei uns zu Hause kurz "Conni und Corona" genannt wird, haben eine Reihe Menschen gefunden, die - vorsichtig formuliert - ihre Zweifel an der Pandemie und den daraus resultierenden Einschränkungen haben. Überdeutlich wird das in den Online-Rezensionen, wo sich Schwurbler mit 1-Sterne-Bewertungen so richtig austoben. Unter der Überschrift "Unwahrheiten und Indoktrination" wird etwa gewütet: "Wenn die Bild-Zeitung, ARD, ZDF und Co. ein Buch für Kinder schreiben müssten, würde genau das dabei herauskommen. (...) Wer sein Kind hirnwaschen möchte in Sachen 'böses Coronavirus', sollte sich das Buch unbedingt kaufen." In zahlreichen weiteren Bewertungen meinen sich Corona-Leugner ganz großer "Staatspropaganda" auf der Spur. Ein Beispiel von vielen: "So, es gibt Null Sterne, für diesen Blödsinn mit Anlauf, von mir. Es ist jedes Mittel recht um die Menschen mit ständigen Lügenduschen zu indoktrinieren. Wollt ihr mithelfen unsere Kinder umzubringen??? Lügen werden nicht wahrer, wenn sie ständig wiederholt werden" (sic!). Nochmal zur Erinnerung: Es geht hier um ein Kinderbuch, das während einer weltweiten Pandemie entstanden ist und in dem unter anderem erklärt wird, warum gründliches Händewaschen sinnvoll ist. Der Marketinggedanke dahinter ist selbstredend unumstritten. Denn inzwischen haben etliche andere "Corona-Bücher" für Kita- und Grundschulkinder den Weg in die (virtuellen) Verkaufsregale gefunden. Wer sich lieber nicht über Besserwisser-Conni aufregen möchte, ist zum Beispiel mit "Wilma Wochenwurm" gut beraten. Hier wird anschaulich erklärt, was ein Virus ist, und wie Impfen funktioniert.

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In die Kritik geraten ist hingegen auch eine Veröffentlichung des Carlsen-Verlags. In "Ein Corona-Regenbogen für Anna und Moritz", konzipiert für Drei- bis Siebenjährige, hieß es recht unüberlegt: "Das Virus kommt aus China und hat sich von dort aus auf der ganzen Welt ausgebreitet." Dieser Satz entfachte eine Rassismus-Debatte - auch hier sammelten sich massenhaft schlechte Reviews im Internet. In der Folge wurde die Auslieferung des Buches gestoppt. Der Verlag hat angekündigt, die Korrektur der Nachauflage bereits veranlasst zu haben.

Von Jasmin Mosel