Viel Witz, auch unter der Gürtellinie: Das Darmstädter Kikeriki-Theater gastierte mit einer ganz speziellen Siegfried-Sage auf dem Gießener Autokino-Gelände.
. GIESSEN. Die Geschichte von "Siegfrieds Nibelungenentzündung" präsentierte das Darmstädter Kikeriki-Theater am Dienstagabend im Autokino an der Hessenhalle. Die Eigenproduktion weckte schon wegen ihres Titels einige Erwartungen, löschte ein paar aber auch gleich wieder aus: Was also würde man nun erleben? Kurz gesagt: viel Sprachwitz, viel freches Hessisch und einen angenehm respektlosen Umgang mit der Siegfriedsage. Diese Kombination traf auf eine unnötige Überdosierung des einfach Ordinären. Dem Publikum gefiel's, und einen gewissen Charme hatte das Ganze.
Zunächst zeigte sich allerdings ein Nachteil, dass nämlich die liebevoll und sehr originell und stilbewusst gestalteten Kulissen und Handpuppen in dieser speziellen Bühnensituation leider nicht zu ihrem Recht kamen - dazu wirkten sie auf das Publikum in den Autos zu klein und auf der Leinwand auch nicht eindrucksvoll genug. Es gab einfach zu wenige Details zu entdecken. Das Ganze ist ja für einen eher kleineren Saal entworfen.
Handpuppen zu klein
Doch der Witz des Ensembles ließ sich auch auf diese Weise transportieren. In vielen Autos wieherten die Zuschauer förmlich vor Vergnügen, was sich leider nicht groß mitteilte und auch auf der Bühne kaum ankam. Vielleicht rührte daher auch der Versuch der Darmstädter, die Stimmung öfters mit Scherzen unter der Gürtellinie anzuheizen. Ansonsten sprachen die prächtig kostümierten Figuren waschechtes Hessisch und scheuten sich auch nicht, eine gewisse Schlichtheit dieses Zungenschlags darzustellen.
So nahm denn gerade nicht die traditionelle Mär Siegfrieds, des blonden Recken, ihren Lauf. Stattdessen ("Hört ihr Leut und lasst euch sagen, wie sich das alles zugetragen") war alles "von seiner Geburt bis zu seinem überraschenden Tode" zu erfahren. Dazu benutzten die Schauspieler und Puppenspieler mehrere Ebenen, um blitzschnell aktuelle Anspielungen einzubauen und sich auch mehr als einmal rollenspezifisch niederzumachen. Dabei wurde sich heftig kalauernd missverstanden. Running Gag war etwa die Beschimpfung des Keyboardspielers, der agierte, als verstünde er kein Deutsch. Musikalisch war er allerdings ein echter Pfeiler der Produktion und lieferte die vielseitigsten Klänge, egal ob auf dem Saiteninstrument oder der Flöte. Zuweilen schmuggelte er sachfremde Melodien ein, etwa den georgelten Gainsbourg-Chanson "Je t'aime moi non plus", wofür er sofort heftige Tadel erhielt. Musikalisch war das sehr ausgewogen und dramaturgisch funktional, zuweilen verschmolzen Musik und Geschehen ganz natürlich.
Zu erwähnen sind auch die Handpuppen, für die ein passender Ausschnitt ins Bühnenbild integriert war. Diese aus Alltagsgegenständen, man muss fast sagen, zusammengeschraubten Figuren, sind ein wesentlicher Aspekt des Geschehens. Hauptteil dieser "Akteure" sind stets eine oder mehrere Blechdosen, mit denen sich die zu Siegfrieds Zeiten üblichen Rüstungen zugleich anschaulich und satirisch darstellen lassen - ein doppeldeutiger Aspekt.
Auf der muttersprachlichen Ebene lieferten die Darmstädter dann das wichtigste Element des Ganzen ab, den mit dem Thema respektlos umgehenden und sprachlich originellen Text. Der hat in seiner gereimten Form zugleich etwas Bäurisches und etwas Schelmisches, letztlich Charmantes. Und wenn etwa Kriemhild ("Diese Peitsche") in breitem Hessisch geschildert wird ("schwarzes Haar wie Ebenholz und die Augen schauen stolz"), kann man sich ein Lächeln nicht verkneifen. Noch ein Spruch, diesmal vom Erzähler ans Publikum gerichtet: "Hagen ist schon lange wild auf den Körper von Kriemhild."
Das Kikeriki-Theater lieferte damit eine solide situationskomödiantische Puppentheatervorstellung, die allerdings unter der unnatürlichen Distanz zum Publikum und dessen schwer spürbarer Rückmeldung litt (die Theaterfreunde hatten die Möglichkeit des Beifallblinkens noch nicht so ganz für sich entdeckt). Schade, in ihrem kuscheligen Theater hauen die Darmstädter ihre Besucher ganz sicher jedes Mal vom Stuhl.
Das Programm des Autokinos wird mit Konzerten von Martin Schulte am Donnerstag und den Höhnern am Freitag fortgesetzt. Es sind jeweils noch Karten erhältlich.