Hunderte Polizisten sollen an diesem Wochenende für Sicherheit in Gießen sorgen. Nach gewaltsamen Protesten beim vergangenen Mal wollte die Stadt das Eritrea-Festival verbieten.
Kassel/Gießen. Das umstrittene Eritrea-Festival in Gießen darf entgegen dem städtischen Verbot wie geplant an diesem Wochenende stattfinden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof wies am Freitag Beschwerden der Stadt Gießen gegen eine Entscheidung des Gießener Verwaltungsgerichts ab, das das Verbot zuvor bereits gekippt hatte. Das Sicherheitskonzept des Veranstalters sei ausreichend, um den drohenden Gefahren für Veranstalter und Besucher zu begegnen, erklärte der VGH unter anderem zur Begründung. Eine Stadtsprecherin sagte, man bedauere die Entscheidung, setze aber nun gemeinsam mit der Polizei alles daran, die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten.
Aus Sicht des VGH kann der Veranstalter für die in den sozialen Medien ausgesprochenen Drohungen mit Gewalt nicht verantwortlich gemacht werden. Die Stadt habe zudem ihre Erwartungen für ein der Gefahrenlage angemessenes Sicherheitskonzept gegenüber dem Veranstalter „nicht klar genug und nicht rechtzeitig kommuniziert“. Dieser habe zudem seine Bereitschaft zur Nachbesserung an dem Konzept bekundet und die Stadt auch gebeten, mitzuteilen, falls nachgesteuert werden müsse, so der VGH.
Das Festival, das an diesem Samstag beginnen und bis Sonntag dauern sollte, war auch mit Blick auf gewaltsame Proteste bei der Vorgänger-Veranstaltung im vorigen Sommer vom Gießener Ordnungsamt untersagt worden. Aus Sicht der Behörde genügte das Sicherheitskonzept nicht, um drohende Gefahren insbesondere für die Festival-Besucher aber auch für die Allgemeinheit abzuwenden. So habe es Hinweise gegeben, dass Personen zu Gewalttaten in die mittelhessische Stadt kommen wollten. Beim Polizeipräsidium Mittelhessen bereitete man sich auf eine mögliche „Großlage“ vor und kündigte ein konsequentes Vorgehen gegen jegliche Verstöße an. Mehrere hundert Polizisten seien in der Stadt im Einsatz. Auch eine temporäre Waffenverbotszone wurde in Teilen der Stadt eingerichtet.
Im August vergangenen Jahres hatten etwa 100 Menschen Helfer und Besucher der damaligen Veranstaltung angegriffen, 26 von ihnen wurden verletzt, auch sieben Polizisten trugen leichte Verletzungen davon. Kritiker des Festivals hatten eine problematische Nähe zur Regierung Eritreas gesehen. So wurden Vorwürfe laut, bei der Veranstaltung sollte Geld zur Unterstützung des Regimes gesammelt werden. Eritrea gilt als das „Nordkorea“ Afrikas.
Bereits in der Nacht zu Freitag hatte die Polizei einen 47 Jahre alten Mann in Gewahrsam genommen. Nach einer Entscheidung einer Gießener Amtsrichterin soll der Mann bis Montag (10. Juli) in Gewahrsam bleiben, wie die Polizei mitteilte. Fünf seiner Begleiter waren zunächst ebenfalls in Gewahrsam genommen, später aber wieder entlassen worden. Zudem erteilte die Polizei zwölf Platzverweise. Eine Demonstration am Freitagnachmittag verlief derweil friedlich, die Polizei sprach von rund 150 Teilnehmern, eine weitere Demonstration soll an diesem Samstag folgen. Unabhängig von dem Protest seien mehrere Menschen in der Stadt angetroffen worden, die zuvor zu Gewalttaten im Zusammenhang mit dem Festival aufgerufen hätten, sagte ein Polizeisprecher.
Die Beamten berichteten zudem von Anrufen besorgter Bürger. Es kursierten Gerüchte, wonach die Bevölkerung gefährdet sei und man das Stadtgebiet am Wochenende möglichst meiden solle. Man habe keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Gießener Bevölkerung „und keine konkreten Hinweise auf die in den Gerüchten beschriebenen Szenarien“, erklärte die Polizei und appellierte an die Bevölkerung, solche Falschmeldungen nicht weiterzuverbreiten.
Seit der Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien vor rund 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki das Land mit einer Übergangsregierung. International geriet Afewerki zuletzt in die Kritik, da die eritreische Armee mehreren UN-Berichten zufolge im äthiopischen Bürgerkrieg bis November 2022 an der Seite der äthiopischen Zentralregierung schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben soll. Zudem sind in dem Land viele Freiheitsrechte weitgehend eingeschränkt.