Fahrgastbeirat Gießen: Die "traurige Wahrheit" des ÖPNV

Mikael Labib informiert im Fahrgastbeirat über Tarifmodelle des RMV.        Foto: Schäfer

RMV-Mitarbeiter Mikael Labib hat im Gießener Fahrgastbeirat verschiedene Tarifmodelle und das damit verbundene "Dilemma" erläutert. Eine gute Nachricht gibt es zwar auch,...

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. Giessen (rsc). Billig, kostenlos, sozial - es gibt völlig unterschiedliche Vorstellungen von Tarifen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). "Nicht allen Wünschen kann man gerecht werden", betonte Mikael Labib, Sachbearbeiter Finanzen und Tarif im Geschäftsbereich Verkehrs- und Finanzwirtschaft beim Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). Labib referierte jüngst im Fahrgastbeirat für Stadt und Landkreis Gießen über "RMV-Tarife und Strukturen", um damit zugleich Aufklärungsarbeit zu leisten.

Fahrgäste haben bestimmte Erwartungen. So sollte ein ähnlicher Weg immer auch das gleiche kosten. Und mit zunehmender Entfernung sollten Preissprünge möglichst gering ausfallen. Beispielsweise sollte sich der Preisunterschied zwischen 100 und 101 Kilometern in geringerem Umfang bewegen als zwischen zehn und elf Kilometern. Aber wie lässt sich das tariflich ausdrücken? Hier seien unterschiedliche Modelle denkbar: ein Einheitstarif, ein Entfernungstarif oder ein Zonentarif. Hinzu komme noch der Relationstarif, erläuterte Mikael Labib. Eine Nahtarifierung werde häufig durchbrochen und sei willkürlich - oft auch ungerecht. Von Langgöns nach Neustadt (Marburg) seien etwa 73 Tarif-Kilometer zurückzulegen; das entspreche Preisstufe 4 und kostet fünf Euro. In einem anderen Fall im Taunus seien es nur 18 Tarif-Kilometer, allerdings Preisstufe 5 mit 8,70 Euro.

Wenn man von Lich nach Wetzlar fährt, werden in Preisstufe 5 ebenfalls 8,70 Euro fällig. Billiger seien wiederum zwei einzelne Fahrscheine von Lich nach Gießen und von Gießen nach Wetzlar - beides Preisstufe 3 für je 3,30 Euro. Aus Sicht des Referenten eine "traurige Wahrheit".

Selbst für den "Hops in den Nachbarort von drei Kilometern" würden oft Tarifgrenzen überschritten. Daraus resultiere dann ein weitaus höherer Preis als 20 Kilometer im selben Tarifgebiet. Allendorf/Lumda und Großen-Buseck sind per Luftlinie nicht weit voneinander entfernt. Da es keine direkte Verbindung gibt, muss der Bus jedoch über Gießen fahren. Und das bedeutet: Preisstufe 4 und damit 5 Euro. Autofahrer können dagegen den direkten Weg zwischen den beiden Ortschaften nutzen.

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Mit Handy 20 Prozent billiger

"Tarifgrenzen sollten aufgelöst werden. Das würde mehr Passanten in den ÖPNV bringen", lautete ein Meinungsbeitrag von den Zuhörern. "Wir werden keinen Tarif anbieten können, der alle hundertprozentig glücklich macht", entgegnete Mikael Labib. Nicht auszuschließen sei, dass das Gerechtigkeitsempfinden verletzt werde. Als Beispiel nannte er die Busfahrt von Gießen nach Wetzlar. Nehme man die südliche Route über Allendorf, werde der Preis durch die Stadtpreisstufen von Gießen und Wetzlar begrenzt. Nehme man die nördliche Route über Heuchelheim, müsse eine weitere Gemeinde, nämlich Lahnau, durchquert werden. Und das könne erneut einen höheren Tarif auslösen. "In diesem Dilemma stecken wir."

Eine gute Nachricht hatte Labib aber auch noch für all jene, die eine Zehnerkarte - statt der Einzelfahrkarte - vermissen. Denn für ein Aufladen via Handy werden nun ab einem Betrag von 40 Euro 20 Prozent Rabatt für jede Fahrkarte gewährt. Wie viel dieser Service älteren Fahrgästen hilft, die nicht mit einem Mobiltelefon vertraut sind, steht auf einem anderen Papier. Foto: Schäfer