Fahrraddemo fordert: "Weg vom Auto-verstopften Gießen"

Trotz eisig kalter Temperaturen nehmen überraschend viele Radler an der Demofahrt teil.  Foto: Schäfer

250 an einer Demo teilnehmende Radler unterstützten damit den Bürgerantrag, den inneren Anlagenring in Gießen als Fahrradstraße auszuweisen. Auch die RegioTram war ein...

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GIESSEN. Zwar war es trocken von oben, doch die Temperatur von nur wenig über Null Grad passte zum Kalenderblatt. Gar nicht dazu passen wollte jedoch, dass sich bei dieser fast frostigen Wetterlage am Samstagmittag sage und schreibe 250 Radfahrer zu einer Fahrraddemo am Pfarrgarten/Ecke Neustadt getroffen hatten. Sie alle wollten ein Zeichen für mehr echte Fahrradstraßen setzen. "Die da oben sollen gefälligst mitkriegen, dass wir es ernst meinen", meinte eine Teilnehmerin. Die Fahrtroute führte durch die Innenstadt und über den gesamten Anlagenring und endete am Berliner Platz. Initiiert hatte die Veranstaltung Till Hentschel, ein 23-jähriger Umweltmanagement-Student der Justus-Liebig-Universität. Mit der Demofahrt sollte einem Bürgerantrag Nachdruck verliehen werden, der den inneren Anlagenring als reine Fahrradstraße ausgewiesen haben will. Außerdem werden in dem Begehren zwei Innenstadtachsen als Fahrradstraßen durch das Zentrum gefordert.

"Dieser Antrag hat das notwendige Quorum an geprüften Unterstützungen erreicht": So ist es auf der städtischen Internetseite http://giessen-direkt.de/giessen/de/ideaPtf/53747 zu lesen. Die für einen Bürgerantrag notwendige Anzahl von 836 liegt vor; 1112 Befürwortungen sind derzeit verzeichnet. Somit wird sich der städtische Ausschuss für Planen, Bauen, Umwelt und Verkehr bei seiner nächsten Sitzung am 16. Februar mit diesem Bürgerantrag auseinandersetzen müssen, um einen Beschluss zu fassen. Dieser geht danach als Empfehlung an die Stadtverordnetenversammlung, wo er am 4. März in der Allendorfer Sport- und Kulturhalle auf der Tagesordnung steht. In der Zwischenzeit wird es vonseiten der Gießener Verkehrswende-Initiativen, für die Anne-Marie Möhring diesen Bürgerantrag bei der Stadt eingereicht hat, noch die eine oder andere Aktion geben.

Bei der Eröffnungsrede ergriff Till Hentschel das Wort: "Ich bin relativ neu in Gießen. Ich fühle mich pudelwohl hier. Allerdings habe ich ein Problem. Und das sind die ganzen Autos." Allein 33 000 Menschen pendelten Tag für Tag in die Stadt und diese 33 000 auch wieder hinaus. Der Redner forderte außer einer Fahrradstraße auf den inneren Fahrspuren des Anlagenringes einen kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie "flächendeckende Fahrradstraßen für Gießen und den Umkreis". Damit die Stadt sicherer und zugleich lebenswerter werde. "Wir wollen endlich weg vom Auto-verstopften Gießen", rief er ins Mikrofon und betonte: "Wir lassen uns nicht aufhalten. Nicht von Politikern und nicht von der Autolobby." Als Vorbild sollten Greifswald und Münster dienen: beide im Straßenverkehr "mit einem Fahrradanteil von 50 Prozent". Der Anlagenring, beklagte er, sei vier- bis sechsspurig. "Es gibt Parteien im Parlament, die wollen das so behalten. Die wollen uns auf die Nebenstraßen runterholen, sodass dort noch mehr Autos brettern können." 50:50 müsse der Anlagenring aufgeteilt werden, die Hälfte jeweils für Fahrräder und Autos.

Ins selbe Horn stieß Politakteur Jörg Bergstedt von der Saasener Projektwerkstatt: "Die Stadt gehört den Fußgängern, den Radfahrern und der Straßenbahn", rief er beim Zwischenstopp am Elefantenklo dem Radlerpulk zu. Es sei längst bewiesen, dass die Urbanität, die städtische Atmosphäre, gerade durch Autos unattraktiv gemacht werde und die Lebensqualität schwinde. Bergstedt sieht für den Bürgerantrag zwar eine Mehrheit im Parlament. Doch warnte er in derber Sprache vor "Schissern, denen das zu weit geht". Ein besonderer Halt wurde dann am Oswaldsgarten eingelegt. Hier ergriff Finn Becker, einer der Initiatoren des am 30. November angemeldeten zweiten Bürgerantrages RegioTram/Straßenbahn das Megafon: Mit der Ost-West-RegioTram solle die Vogelsbergbahn ab dem Ende der Grünberger Straße als Straßenbahn bis ins Stadtzentrum geführt werden - über Ludwigs- und Berliner Platz, Neuen Bäue, Schulstraße, Marktplatz, Marktstraße, Neustadt, und hier über den Oswaldsgarten zur Rodheimer und Heuchelheimer Straße bis nach Wetzlar verlaufen. Becker warb um Unterstützung des Bürgerantrages auf der städtischen Plattform giessen-direkt.de. Noch sei das Quorum von 836 Unterstützern nicht erreicht.

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Am kommenden Freitag um 19 Uhr werden sich am Uni-Hauptgebäude wieder die Teilnehmer von "Critical Mass" auf ihre Drahtesel schwingen und eine große Runde durch die Stadt drehen. Dies verkündete Initiatorin Diana Schwaeppe bei der Abschlusskundgebung vor dem Rathaus. Scharf verurteilte sie die Fahrradstraßen in Lony- und Löberstraße als "Pillepalle". Tatsächlich habe sich erwartungsgemäß in diesem Straßenbereich nichts Wesentliches zugunsten der Fahrradfahrer geändert.

Da der Ausschuss für Umwelt und Verkehr am 16. Februar ab 19 Uhr über den Bürgerantrag berät, soll an jenem Dienstag um 18 Uhr vom Kirchenplatz aus eine erneute Fahrraddemo beginnen, die am Rathaus endet. Geplant sind weitere Aktionen am 26. Februar (16 Uhr ab Bahnhofsvorplatz) und 4. März (16 Uhr ab Berliner Platz).