Die Medizin-Studierenden Simon Appel und Emily Mück packen als Aushilfen auf der Gießener Corona-Intensivstation mit an. Seit über einem Jahr freiwillig in "Covid City" - warum?
GIESSEN. In der Hochphase sei während jeder seiner Schichten ein Corona-Patient gestorben, sagt Simon Appel. Belastet ihn das? Der Medizin-Student zuckt mit den Schultern: "Der Tod gehört halt zum Leben." Ihm falle da der Umgang mit Angehörigen schwerer. "Ich sehe unsagbares Leid in ihren Gesichtern." Leid, da ist sich Appel sicher, das durch die Impfungen mittlerweile in vielen Fällen verhindert werden könnte.
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Genau wie seine Kommilitonin Emily Mück hatte sich Appel während der zweiten Welle, im November 2020, freiwillig gemeldet, um auf der Corona-Intensivstation des Universitätskrankenhauses Gießen und Marburg (UKGM) zu helfen. Die Klinik hatte zuvor um Hilfe gerufen, weil das
Personal mit der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Patienten an seine Grenzen kam. Appel und Mück arbeiten bis heute weiterhin gerne
in "Covid-City", wie die Corona-Intensivstation bisweilen genannt wird. Trotzdem wünschen sie sich, dass es ihre Jobs bald nicht mehr gibt.
Extrem kranke Menschen
"Mein erster Dienst war eine anstrengende Erfahrung", erinnert sich Mück. Und das, obwohl die Studentin für ihr Studium bereits ein Pflegepraktikum auf der Intensivstation absolviert hatte. Aber mitten in der zweiten Welle war alles anders. Da seien die Pfleger und Ärzte pausenlos über die Flure gerannt, überall wurde gleichzeitig Hilfe benötigt. Mit der Einarbeitung sei es da natürlich auch schwierig gewesen.
Appel hat zuvor im Rettungsdienst gearbeitet, für ihn war die Erfahrung auf der Intensivstation neu. "Was mich am meisten überrascht hat,
war, wie extrem krank Menschen sein können", sagt der Student - und erzählt von Corona-Patienten, die bereits intubiert eingeliefert und künstlich beatmet werden, aber trotzdem nicht genug Sauerstoff bekommen. Der letzte Ausweg sei dann eine ECMO, eine künstliche Lunge. Aber selbst die kann nicht jedes Leben retten.
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Die Arbeit der studentischen Aushilfen auf der Covid-Station besteht zu einem großen Teil aus Botengängen: Blutproben ins Labor tragen oder ein Medikament von einer Station zu nächsten bringen. "Wir haben keinen direkten Patientenkontakt", erklärt Mück. Deswegen machen die Studierenden die Arbeiten, bei denen man auf andere Stationen gehen muss. Das sei auch eine Art des Infektionsschutzes.
Plötzlich von Freunden gemieden
Was ebenfalls zu ihren Aufgaben gehört: Angehörige vom Eingang der Klinik bis zur Station begleiten und erklären, wie man die Schutzkleidung richtig anlegt. "Die Tochter eines Verstorbenen hat mich dabei einmal gefragt, warum es Corona überhaupt gebe. Darauf hatte ich keine Antwort", gibt Appel zu.
Schwierige Unterhaltungen müssen die beiden aber nicht nur während ihrer Arbeit führen, sondern auch danach. Mück erzählt: "Freunde wollten sich nicht mehr mit mir treffen, nachdem sie erfahren haben, dass ich dort arbeite." Und auch in ihrer WG sei ein mögliches Ansteckungsrisiko
Thema gewesen, als die Studentin ihre Arbeit begann. "Es kam vor, dass Leute von mir weggerückt sind, wenn sie erfahren haben, dass ich auf der Coronastation arbeite", sagt Appel. "Ich finde das vor allem schlimm, wenn ich an die Menschen denke, die hier in Vollzeit tätig sind und dann wie Aussätzige behandelt werden."
Trotzdem machen die beiden weiter. Mück lacht und erklärt: "Am Anfang habe ich mich auch aus Frust gemeldet, um dieser Zeit einen Sinn zu
geben." Denn während alle im Lockdown schmorten, konnte die Studierende rausgehen und "aktiv helfen". Appel pflichtet ihr bei: "Es ist ein gutes Gefühl, helfen zu können, wo Hilfe gebraucht wird."
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Der Student sagt, dass die Arbeit für die angehenden Mediziner auch lehrreich sei, obwohl vieles nur aus Botengängen bestehe. Einerseits können sie Fachwissen auch da einbringen. Appel sagt: "Wir können die Aufgaben richtig priorisieren und auch antizipieren, was als nächstes gebraucht wird." Zum anderen gebe die Arbeit den Studierenden aber auch die Möglichkeit, wichtige Praxiserfahrung zu sammeln - etwas, das im Studium wegen Corona gerade zu kurz komme.
Von Sebastian Schmidt