Die iranische Schriftstellerin Golrokh Ebrahimi Iraee wird seit 2014 verfolgt und ist bereits mehrfach inhaftiert worden. Dabei musste sie auch die Folterungen ihres Ehemannes...
GIESSEN. Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht - und dennoch wird dieses Recht noch immer in vielen Teilen der Welt unterdrückt. Hervorgegangen aus einer studentischen Initiative, hat es sich der Gießener Verein "Gefangenes Wort" zur Aufgabe gemacht, auf die Gefährdung der Meinungs- und Pressefreiheit aufmerksam zu machen. Seit der Gründung im Jahr 2012 stellen Studierende und Alumni der Justus-Liebig-Universität (JLU) zu Beginn jedes Monats im Gießener Anzeiger ein Schicksal zensierter, bedrohter, inhaftierter und ermordeter Journalisten und Schriftsteller vor. Diesmal beschäftigt sich Sarah Noske mit Golrokh Ebrahimi Iraee aus dem Iran.
Golrokh Ebrahimi Iraee, eine im Jahr 1980 geborene iranische Schriftstellerin, wird bereits seit 2014 verfolgt und wurde mehrfach inhaftiert. Am 6. September 2014 wurde sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Arash Sadeghi, der immer noch für sein Engagement als Menschenrechtler inhaftiert ist, verhaftet. Ihre Wohnung wurde durchsucht und mehrere Gegenstände wurden entwendet, bei denen man vermutete, sie könnten die beiden Aktivisten diskreditieren. In Golrokhs Tagebuch fanden die iranischen Behörden eine Kurzgeschichte, in der eine junge Frau den Film "The Stoning of Soraya M." schaut, wütend wird und schließlich eine Kopie des Korans verbrennt. Golrokh Ebrahimi Iraee prangerte damit die offiziell als abgeschafft geltende Praxis des Steinigens an. Diese Kritik in Form einer unpublizierten Kurzgeschichte verstanden die Behörden als Beleidigung. Nach der Festnahme wurde das Ehepaar 17 Tage lang mehrere Stunden befragt. Man drohte, sie umzubringen und Golrokh Ebrahimi Iraee musste die Folterungen ihres Ehemannes in der Nachbarzelle mitanhören.
Im Jahr 2015 gab es zwei Prozesse, in dem ersten ging es primär um die menschenrechtlichen Aktivitäten ihres Ehemannes, im zweiten wurde sie für die angebliche Beleidigung islamischer Heiligkeiten und das vermeintliche Verbreiten von Propaganda verurteilt. Als Beweise legten die Ankläger ihre Posts auf Facebook vor, in denen sie über politische Gefangene seit den 1980ern im Iran schrieb und damit den Gründer der Islamischen Republik kritisierte. 2016 kam sie ins "Evin Gefängnis" für Frauen: Sie durfte weder Telefonanrufe noch ihre Familie empfangen. Gemeinsam mit einer ebenfalls inhaftierten Aktivistin für Kinderrechte, Atena Daemi, protestierte Golrokh Ebrahimi Iraee mit einem Hungerstreik gegen die Bedingungen ihres Transfers in das "Qarchak Gefängnis". Nach 81 Tagen beendete sie diesen und wurde zurück ins "Evin Gefängnis" gebracht.
Zensur und Kontrolle
Im April 2019 durfte sie nach dreieinhalb Jahren auf Kaution das Gefängnis verlassen, um im November erneut inhaftiert zu werden. Seit Anfang dieses Jahres befindet sich Golrokh Ebrahimi Iraee im "Amol Gefängnis" im Norden Irans. Bis zum 25. Januar verweigerte man ihr, Kontakt mit der Familie aufzunehmen und über ihre Verlegung zu informieren.
Auch vor iranischen Gefängnissen macht die Corona-Pandemie nicht Halt: Eine Mitgefangene wurde positiv auf das Virus getestet, ihre Familie sorgt sich um die gesundheitliche Versorgung. Auch ihrem Ehemann, Arash Sadeghi, der inzwischen an Knochenkrebs erkrankt ist, wird grundlegende medizinische Unterstützung wie die Strahlentherapie untersagt.
Repressives Vorgehen gegen systemkritische Schriftsteller*innen und Journalist*innen ist im Iran keine Seltenheit. Die iranische Presse unterliegt staatlicher Zensur und Kontrolle, ebenso wie das Internet. Die Bedrängung und Verfolgung erstreckt sich gleichsam auf ausländische Medien sowie Journalist*innen und Schriftsteller*innen im Exil. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" befindet sich der Iran nicht ohne Grund auf Platz 173 von 180. Das Schicksal von Golrokh Ebrahimi Iraee führt erschreckend vor Augen, wie sich diese Verfolgung über mehrere Jahre hinweg gestalten konnte und welche verheerenden Auswirkungen dies auf das Leben einzelner Menschen nach sich zieht.