In der aktuellen Reihe "#InsideOut" zeigt der Künstler Veit Laurenz Kurz im März eine eigenartige Destillationsmaschine im Schaufenster der Kunsthalle am Berliner Platz.
GIESSEN. Ein apokalyptisches Szenario kreiert der Künstler Veit Laurent Kurz für das Schaufenster der Kunsthalle Gießen, das ab März in der aktuellen Reihe "#InsideOut" am Berliner Platz in neuer Anmutung zu sehen ist. Dazu hat der Wahl-Berliner eine Installation aus seiner Werkserie "Herba 4" aufgebaut, die er immer wieder abwandelt: Bemalte Wandpaneele und turmartige Architekturen aus Styropor, die einen seltsamen, moosig-floralen Bewuchs aufweisen, sind über Schläuche zusammengeschlossen wie eine große Destillationsmaschine.
"Herba 4", ein fiktives Elixier, das durch das Rohrsystem hindurch gepumpt wird, fungiert für den Künstler "abwechselnd als Kräuterextrakt, als Gift, als Halluzinogen oder gar als fiktiver Impfstoff", wie Kuratorin Gesine Borcherdt anmerkt. "Wahlweise gehen also eine tödliche oder eine vitalisierende Wirkung von ihm aus." Wenn "Herba 4" wie eine radioaktive, ausgelaufene Flüssigkeit den Boden bedecke, so gleiche die Szenerie einem Chemielabor, in dem ein Unfall passiert ist - "Faszination und Furcht fließen ineinander".
So gebe "Herba 4" Rätsel auf: Stehen magische oder medizinische Kräfte dahinter? Die paradoxe Verbindung von Technologie und Zauber, von Natur und Maschine, von Organik und Künstlichkeit tauchen im Werk von Veit Laurent Kurz immer wieder auf - ebenso wie der Dilldapp, der so etwas wie sein Alter Ego ist.
Der Dilldapp
Die folkloristisch-karnevaleske Kreatur hat laut Kuratorin Borcherdt verschiedene Herkunftsgeschichten. Die eine liegt - wie die Heimat des Künstlers - im Hunsrück. Der Dilldapp kommt auch in der gleichnamigen Geschichte von Clemens Brentano vor, einem Hauptvertreter der deutschen Romantik: Sie erzählt von einem Jungen, der wegen seiner Dummheit von zu Hause fortgejagt wird und fortan bei einem Ungeheuer lebt, das ihm Zaubertricks beibringt. Für den Künstler verkörpere er das Unerklärbare, das im Gegensatz zur Wissenschaft und zu statisch festgelegten Lösungen steht.
Wie erspüren wir unsichtbare Gefahr? Wo sitzt sie und was sind ihre Folgen? Das Thema Kontamination beschäftigt Kurz schon seit seiner Kindheit: "Beim Spielen im Wald und am Wasser spürt er unsichtbare Geister, die Übelkeit und Halsschmerzen auslösen", so die Kuratorin. Heute seien seine Dilldapps zwergenartige, deformierte Figuren, von denen etwas Toxisches ausgeht. Eingebettet in apokalyptische Szenarien aus Plastikpflanzen, Möbel- und Bauteilen, oft getränkt mit giftgrüner Flüssigkeit wirkten sie wie Untote, die zugleich etwas Märchenhaftes verströmen - und die ganze Räume in den Abgrund reißen.
Veit Laurent Kurz, Jahrgang 1985 in Erbach, studierte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und an der Städelschule in Frankfurt. Seine jüngsten Einzelausstellungen fanden unter anderem im Kunstverein Nürnberg (2019) und in der Städtischen Galerie Delmenhorst (2017) statt. Seine Gießener Arbeit folgt auf die Auftaktausstellung mit Raphaela Vogel und ist die zweite künstlerische Position des dreiteiligen Formats "#InsideOut". Sie ist bis Ende März im Schaufenster der Kunsthalle zu sehen. Den Abschluss der Reihe bildet dann im April das Berliner Künstlerinnenkollektiv "CargoCult".