Das HipHop-Projekt "Zwei Schwätzer" konnte "Amigo" Bernd Ulrich und OB Grabe-Bolz für sich gewinnen - und legt fünf Songs vor, die sich nur ums eins drehen: Gießen.
GIESSEN. Immer mal wieder schreiben Musiker einen Song als Hommage an ihre Heimatstadt, wie etwa Herbert Grönemeyer mit "Bochum" oder die Gießener Indiepop-Band "OK Kid" mit "Stadt ohne Meer". Das Musikschaffende einer Stadt gleich eine ganze EP widmen, das ist dann doch allerdings eher selten. Die HipHopper "Neighbour Flavour" haben mit ihrer EP "Zwei Schwätzer" genau das getan und zeigen auf intelligente und unterhaltsame Art, dass Gießen eine Menge zu bieten hat. Unterstützung erhielten sie dabei von regionalen Bekanntheiten wie Bernd Ulrich von den "Amigos" oder Gießens Oberbürgermeisterin Dietlind-Grabe Bolz. Und wenn es nach dem Kollektiv geht, ist das erst der Startschuss für ein hoffentlich wieder musikreiches Jahr 2021.
Hinter den "Zwei Schwätzern" stecken die Rapper Max Strelow aka "Mast" und Simon Groos alias "Zmnstr" (gesprochen: simonster). Für den passenden Sound auf der Extended Play (EP) sorgt Beatproduzent Henry Seidewitz, besser bekannt als "Job.Bones". Die drei befreundeten Jungs sind Teil der Crew "Neighbour Flavour", die für ehrlichen und authentischen HipHop steht, sich am Rap der 90er Jahre orientiert und von Kollegen wie "Curby" aus Butzbach und "Cintag" komplettiert wird. Und diesen typischen Sound, der den Fokus auf den Bass, die Drums und Vocals legt, hört man auf den fünf frischen Songs von "Zwei Schwätzer".
Vor allem zeichnen sich die Stücke durch ihr Thema Gießen aus, was schon an den Titeln deutlich wird: "Gude", "Konterschobbe" oder "Ballin' in der Schlappegass". Mit Letzterem ist der Seltersweg gemeint, der früher schnäppisch als "Schlappegass" bezeichnet wurde, weil dort viele Schuhgeschäfte waren. "Gießen ist eine junge, bunte Stadt mit einer Menge Kultur. Man hat hier immer eine unbefangene Zeit und trifft oftmals auf bekannte Gesichter, sei es auf dem Wochenmarkt oder an der Lahn," betont Strelow, der wie Seidewitz aus dem Offenbacher Raum stammt, sich hier aber schon lange zuhause fühlt. "Als Liebe auf den zweiten Blick würde ich es bezeichnen," ergänzt der "Beatmaker". Groos, der zweite "Schwätzer" neben Strelow, kommt gebürtig aus Lich und kennt den Gießener Raum seit Kindertagen. "Die Menschen sind sehr offen und jeder findet hier seine Nische, in der er sich wohlfühlt", schwärmt er.
Doch nicht nur in den Texten ist die Verbundenheit des Trios zur Lahnstadt zu erkennen. Auch das Comic-Cover der EP ist vollgestopft mit Gießen-Verweisen und illustriert ein Konzert der Rapper vor dem Uni-Hauptgebäude. Als Auflage für die Decks von "Job.Bones" dienen einige Kisten "Wicke-Pils" und "Lischer", ein kleiner blauer Elefant hält sich im Hintergrund versteckt, an Anlehnung ans Wahrzeichen Gießens: das Elefantenklo.
"Kein Gelaber"
Dem HipHop verfallen sind die "Nachbarn mit Geschmack" schon seit Jugendzeiten, vor etwa drei Jahren wuchs die Idee eines gemeinschaftlichen Werkes. "Ich und Job.Bones kennen uns schon seit Offenbacher Tagen. Mit "Zmnstr" haben wir uns dann zusammengetan und einen ersten gemeinsamen Track aufgenommen. Danach kam der Einfall zur EP "Zwei Schwätzer," erinnert sich "Mast". "Wir haben in Gießen viele Erfahrungen zusammen gemacht, da lag so eine CD nahe," unterstreicht Groos, der auch persönliche Dinge in seinen Texten behandelt. Gerappt wird über viele Themen, einziges Tabu der Drei: "Bei uns gibt es kein Gelaber oder Gepose. Uns geht es um Authentizität und den Spaß am Musik machen", lautet der Tenor. Die Songs entstehen oftmals in Gemeinschaftsarbeit. "Wir sitzen entspannt zusammen und probieren rum. Henry schickt uns auch vorher schon einige selbstproduzierte Beats, von denen er denkt, sie könnten zu uns passen", erläutert Max Strelow.
Und wie kam es zur Mitwirkung des bekannten "Amigos"? "Ich kenne über zwei Ecken den Enkel von Bernd Ulrich. Er hat mir netterweise seine Nummer gegeben. Bernd war begeistert von unseren Plänen und hat uns direkt ein "Shoutout" geschickt. Wir haben uns gefreut wie kleine Kinder", erzählt Simon Groos. In der Rapszene wird dieser Ausruf für einen öffentlichen Gruß an eine Person oder Gruppe genutzt und dient dazu, sich bei Unterstützern zu bedanken.
Auch Oberbürgermeisterin Dietlind-Grabe Bolz hat sich beteiligt. Sie leitet den Song "Ballin' in der Schlappegass" mit einem Gruß ein. Kneipen-Urgestein Britta Proll vom Sowieso gibt sich ebenfalls ebenso ein kleines Stelldichein. Doch nicht nur auf musikalischer Ebene versuchen die "Nachbarn" noch mehr "Geschmack" nach Mittelhessen zu bringen. Auch eine erfolgreich angelaufene Partyreihe haben die Jungs ins Leben gerufen - alles in Eigenregie. "Wir hatten mit den "Neighbour-Flavour Vol.1" und "Vol. 2"-Partys schon zwei vielversprechende Veranstaltungen im Prototyp und der Skatehalle. Die dritte Auflage sollte im Scarabee stattfinden, allerdings kam dann die Corona-Pandemie dazwischen. Wir hoffen, dass wir die Reihe bald fortsetzen können," gibt sich Groos alias "Zmnstr" vorsichtig optimistisch. "Gießen hat auf jeden Fall das Potenzial für eine funktionierende HipHop-Szene," betont Strelow.
Für dieses Jahr haben sich die Musiker auf jeden Fall noch einiges vorgenommen. Sie wollen vor allem eins: "Releasen, releasen und nochmals releasen. Und natürlich wieder live auf der Bühne stehen und der Menge einheizen", freut sich Henry Seidewitz.
Die EP "Zwei Schwätzer" des HipHop-Kollektivs "Neighbour Flavour" ist über die gängigen Streaming-Portale wie Spotify und Apple Music erhältlich.